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Allgemeinmedizin

Fledermäuse Tollwutansteckung möglich?

von zimmermann73 , 12.05.11 16:58
Guten Tag, meine Frage bezieht sich auf die Infektionskrankheit Tollwut. Ich habe gelesen, dass es in Deutschland durchaus Vorkommen bei Fledermauspopulationen gibt. Bei uns zuhause fliegen immer wieder vereinzelte Tiere abends um die Häuser. Besteht hier die Gefahr sich anzustecken, wenn man zum Beispiel auf der Terasse sitzt und beim Umherfliegen Urin oder sogar Speichel freigesetzt wird, den man dann abbekommen könnte? Vielen Dank für eine Antwort Gruß Zimmermann

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Re: Fledermäuse Tollwut

von Cyberdoktor , 12.05.11 19:11
Hallo,

"Ich habe gelesen, dass es in Deutschland durchaus Vorkommen bei Fledermauspopulationen gibt. "
stimmt. Während die sog. terrestrische Tollwut (Infektionen von Bodentieren) in Deutschland seit einigen Jahren dank konsequenter Impfprogramme (Impfköder) ausgerottet ist, gibt es nach wie vor infizierte Fledermäuse ( Robert Koch-Institut , Epidemiologisches Bulletin, 28. Februar 2011 / Nr. 8.).

"Bei uns zuhause fliegen immer wieder vereinzelte Tiere abends um die Häuser. "
in dieser Situation reicht es, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen, d.h. direkte Kontakte mit den Fledermäusen zu vermeiden, z.B. sollte ein abgestürztes Tier nicht mit den ungeschützten Händen hochgehoben werden. In der Regel erfolgt in derartigen Situationen die Tollwutinfektion über einen Biss, der mit Viren verseuchte Speichel schleppt Viren in den Wundbereich ein (sog. transdermale Infektion).


Fledermaus: Kleiner Abendsegler
Fledermaus (kleiner Abendsegler): Tollwutinfektionsrisiko, direkten Kontakt vermeiden.
Bild: Manuel Werner Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland License


"Besteht hier die Gefahr sich anzustecken,"
das einzige realistische Ansteckungsszenario ist in der dieser Alltagssituation der direkte Tierkontakt.

"man zum Beispiel auf der Terasse sitzt und beim Umherfliegen Urin oder sogar Speichel freigesetzt wird, den man dann abbekommen könnte?"
Tollwutviren können zwar, wenn Speichel oder sonstige verseuchte Sekrete in grösserer Menge der Luft aufgewirbelt werden, auch über Schleimhäute (Mund, Augen) eindringen ( Dutta JK et al. 1992: "Human rabies: modes of transmission." ), die wenigen dokumentierten Fälle zeigten aber stets eine Infektion unter extremen Umständen, z.B. bei Laborarbeiten mit Tollwutviren ohne Einhaltung der Sicherheitsstandards.

Auch bei einem Aufenthalt in Fledermaushöhlen mit einer grossen Anzahl von aktiven Tieren sind Infektionen denkbar, für Bodentiere, die gern ebenfalls in den Höhlen Schutz suchen, ist diese Möglichkeit bereits in Studien dokumentiert ( Winkler WG 1968: "Airborne rabies virus isolation." ). Die Versuche wurden allerdings in riesigen Bruthöhlen mit Millionen von Fledermäusen (Speichelabsonderung durch Säugen der Jungtiere) durchgeführt, es ist nicht davon auszugehen, dass einzelne Tiere im Flug nennenswerte Speichelmengen freisetzen können. Dementsprechend gibt es bisher keinen einzigen dokumentierten Fall einer Übertragung Fledermaus-Mensch in derartigen Alltagssituationen ohne direkten Tierkontakt, obwohl Tollwut bei Fledermäusen seit Jahrzehnten auftritt und diese Tiere weltweit stark verbreitet sind, es also täglich unzählige indirekte Begegnungen gibt.

Also: vermeiden Sie direkte Kontakte, Finger weg von Fledermäusen, dann können Sie weiter die Abende auf der Terrasse geniessen und den kleinen Luftakrobaten ohne Sorge bei ihrer abendlichen Insektenjagd zusehen.

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Re: Fledermäuse Tollwut

von Unbekannt , 01.07.13 12:23
Hallo
Ich bin mir nicht sicher, ob ich letzens nachts eine Fledermaus im Zimmer hatte. Ich bin nur kurz aufgewacht, da ich dachte, ich hätte etwas an meinem Kopf gemerkt (ein Zwicken), habe aber morgens nach einigem Suchen nichts gefunden. Allerdings habe ich in einen speichelähnlichen Fleck gefasst. Ist es überhaupt möglich, dass Fledermäuse nennenswerte Mengen Speichel verlieren?

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Re: Fledermäuse Tollwut

von Cyberdoktor , 01.07.13 13:15
Hallo,

"nicht sicher, ob ich letzens nachts eine Fledermaus im Zimmer hatte... Ist es überhaupt möglich, dass Fledermäuse nennenswerte Mengen Speichel verlieren?"
spielt keine Rolle, wir haben in unserem ausführlichen Beitrag oben ja bereits ausgeführt, dass nur dann eine realistische Gefahr besteht, wenn man eine Fledermaus anfasst.

Also: auf dem Boden sitzende Fledermäuse nicht in die Hand nehmen und das Thema kann zu den Akten.

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Re: Fledermäuse Tollwut

von Unbekannt , 01.07.13 13:25
Dennoch verunsichert mich das Zwicken am Kopf (vielleicht ein Biss?) und die noch nicht getrocknete Flüssigkeit⁄durchsichtiger Schleim. Ich habe diese erst später an meiner Hand bemerkt und habe mir ausversehen die Augen gewischt. Besteht in beiden Fällen kein Risiko?

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Re: Fledermäuse Tollwut

von Cyberdoktor , 02.07.13 15:32
Hallo,

"Dennoch verunsichert mich das Zwicken am Kopf"
der Gedanke an Tollwut ist abwegig, in Europa gibt es keine Vampirfledermaus-Exemplare, deren Verbreitungsgebiet ist auf die USA, Mittel- und Südamerika beschränkt.

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Impfung Tollwut nach möglichem Fledermauskontakt Asien

von Unbekannt , 24.06.14 08:45
Hallo liebes Ärzteteam,
Ich hab eine Frage zur nachträglichen Tollwut Impfung,
Da ich hier von Ärzten vor Ort irgendwie keine vernünftige Auskunft bekomme. Folgendes ist passiert. Ich war letzte Woche in Asien und könnte Kontakt zu einer Fledermaus gehabt haben. Ich hab etwas an meinem Arm gespürt, aber weggeschlagen. Dem hab ich weiter nichts beigemessen. Hab aber am nächsten Tag zwei rote Stellen, die für mich aber eher wie Mückenstiche aussahen. Zurück in Deutschland hat mir das keine Ruhe gelassen und ich bin ins Krankenhaus gefahren zur Notärztlichen Praxis. Da das ganze schon etwas verheilt war, also nicht mehr so genau zu erkennen,
Ging man wohl auf Nummer sicher und schickte mich in die Uni Klinik. Dort bekam ich eine passiv Impfung gegen Tollwut. Folgende Impfungen habe ich jetzt. 03.06 1. Tollwutimpfung
10.06 2. Tollwutimpfung
17.06 Kontakt zum Tier
20.06 passive Impfung
24.06 3 Tollwutimpfung
Meine Frage ist jetzt, reicht das aus oder muss ich
Noch Impfungen bekommen?
Das ganze hört sich vielleicht etwas seltsam an,
Aber ich bekomme hier irgendwie keine vernünftige
Auskunft. Vielleicht können Sie mir dazu etwas sagen. MfG
Jens

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Re: Impfung Tollwut nach möglichem Fledermauskontakt Asien

von Cyberdoktor , 24.06.14 11:47
Lieber Jens,

"könnte Kontakt zu einer Fledermaus gehabt haben. Ich hab etwas an meinem Arm gespürt, aber weggeschlagen."
recht viele Fragesteller haben Angst vor einer Tollwutinfektion durch Fledermausbisse, ohne dass sie überhaupt eindeutig ein Tier identifiziert haben (siehe z.B. Tollwutphobie ). Eine zubeissende Feldermaus würde man aber sehen, die Tiere sind zwar flink in der Luft, aber nicht unsichtbar. Flüchtige Berührungen auf der Haut werden in der Regel durch geflügelte Insekten verursacht.

"Hab aber am nächsten Tag zwei rote Stellen, die für mich aber eher wie Mückenstiche aussahen."
mit Insektenstichen dürften Sie richtig liegen, für einen Biss müsste die Fledermaus auf der Haut sitzen bzw. sich dort festkrallen, das hätten Sie gesehen und normalerweise schmerzhaft wahrgenommen. Meist punktieren die kleinen scharfen Zähne die Haut, d.h. es zeigt sich beim genauen Hinsehen ein kleines Loch.


fledermausbiss finger
Fledermausbiss: zwei punktförmige Hautverletzungen am Finger.
Bild: CDC


Im Allgemeinen können Patienten sich eindeutig an einen Fledermausbiss erinnern, Vorsicht ist dagegen geboten, wenn kleine Kinder oder Personen mit eingeschränktem Urteilsvermögen in Risikosituationen waren.

"Dort bekam ich eine passiv Impfung gegen Tollwut."
Ohne das Sie in wachem Zustand eine Fledermaus gesehen oder einen Biss gespürt hätten? Ein schönes Beispiel dafür, dass Patienten mit genug Hartnäckigkeit ihre Ärzte zu Massnahmen bewegen können, die eigentlich nicht den Leitlinien entsprechen.

"03.06 1. Tollwutimpfung 10.06 2. Tollwutimpfung 17.06 Kontakt zum Tier 20.06 passive Impfung 24.06 3 Tollwutimpfung... reicht das aus oder muss ich Noch Impfungen bekommen?"
es ist sehr seltsam, dass man Ihnen in der Klinik keine Auskunft gibt, wenn die Ärzte beurteilen konnten, ob eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) angemessen war, sollte doch die simple Erfüllung eines Impfplans kein Problem sein.

Wenn wir als Gedankenspiel davon ausgehen, das der Tierkontakt in einer hohen Risikokategorie (Biss) gesichert wäre und man impfen müsste, würde Sie als nicht vollständig geimpfte Person zählen (nach nur zwei Tollwutimpfungen vor Tierkontakt war der Schutz noch nicht perfekt). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht für Personen, die bis zu einem Risikokontakt weniger als 3 Impfungen hatten, folgenden Impfplan vor: Je eine Dosis an Tag 0, 3, 7, 14, 28 (5-Dosen Schema).

Wenn Ihre Ärzte das 5 Dosen-Schema nicht anwenden, ist es gut möglich, dass man doch keinen Bedarf für eine echte PEP sieht und die passive Impfung evt. der Beruhigung Ihrer Nerven diente, und die 3. Tollwutimpfung vom 24.06. einfach die Grundimmunisierung abschliessen sollte (normalerweise umfasst die Grundimmunisierung drei Impfstoffgaben an den Tagen 0, 7 und 21 oder 28, wäre nun also beendet, siehe Tollwutimpfung ).

Diskutieren Sie mit den Ärzte die Fragestellung, ob die Grundimmunisierung nun ausreicht. Schildern Sie die mutmassliche "Risiko"-Situation ohne Dramatisierung, evt. sieht man dann keinen Bedarf für eine Fortsetzung des Notfallschemas.

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Re: Impfung Tollwut nach möglichem Fledermauskontakt Asien

von Unbekannt , 08.07.14 16:04
Hallo liebes Team,

danke für die sehr ausführliche Antwort. Ich habe die Situation mit dem Medizinischen Institut besprochen und die Situation ohne Dramatisierung dem Professor geschildert. Man hat mir dann empfohlen noch zwei Impfungen zu machen, da die Gabe von Immunglobolin die Produktion von Antikörpern hemmen würde. Daraufhin habe ich noch zwei Impfungen im Abstand von 3 Tagen erhalten. Man sagte mir auch, das ich damit einen ausreichenden Schutz hätte. Ich hoffe das damit jetzt alles in Ordnung ist. Nochmals Danke für die Informationen. MfG
Jens

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Re: Impfung Tollwut nach möglichem Fledermauskontakt Asien

von Cyberdoktor , 11.07.14 09:44
Hallo,

"da die Gabe von Immunglobolin die Produktion von Antikörpern hemmen würde. "
eine Dosis Immunglobulin ist beim fünf Dosis Notfallimpfplan kein Problem. Für den drei Dosis Standardplan könnte man das diskutieren.

"Daraufhin habe ich noch zwei Impfungen im Abstand von 3 Tagen erhalten."
ein sehr individuelles Impfschema, passt zwar nicht zu den Standard-Impfplänen (siehe oben), wenn die Ärzte aber wie gesagt eher auf die Beruhigung Ihrer Nerven abzielen und das normale Drei-Dosen-Schemas mit Sicherheitsspielraum vervollständigen wollen, kann man so vorgehen.

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