Hallo,
bei einem Maldescensus testis (Hodenhochstand) unterbleibt die vollständige Wanderung des Hodens aus dem Bereich der Bauchhöhle in den Hodensack (Skrotum). Dies betrifft ca. 3 % der männlichen Neugeborenen, in den ersten Lebensmonaten wandert der Hoden aber meist spontan an seinen richtigen Platz, so dass am Ende des ersten Lebensjahres nur unter 1% einen Hodenhochstand haben. Die extreme Variante ist ein völlig in der Bauchhöhle verbliebener
Bauchhoden, ausserdem gibt es noch Leistenhoden, Gleithoden und Pendelhoden (siehe unten).

Bauchhoden (grün markiert): Gefährlich, es droht bleibende Störung der Spermienproduktion und Krebs.
Bei einem
Leistenhoden (Retentio testis inguinalis) haben sich die Hoden zwar auf den Weg gemacht, hängen aber im Leistenkanal fest und können nicht in den Hodensack gedrückt werden.

Leistenkanal: ringförmige Ein- und Ausgänge sind grün markiert.
Beim
Gleithoden (Retentio testis präscrotalis) liegt dagegen der Hoden oben am Eingang des Leistenkanals, und lässt sich zwar manuell bis in den Hodensack verlagern (allerdings nicht bis an den tiefsten Punkt des Hodensacks), nach dem Loslassen schnellt er aber sofort wieder zurück. Das alleinige Zurückschnellen reicht nicht für die Diagnose, ergänzend muss die Spannung am Samenstrang beim Zug am Hoden und die erreichbare Position im Hodensack(Skrotum) bewertet werden.

Normalbefund: beide Hoden sind durch den Leistenkanal abgestiegen.
"Der Kinderarzt stellte im 2.Lebensjahr einen Pendelhoden fest, bei dem, wie er uns sagte, keine Therapie oder Behandlung notwendig wäre."
beim
Pendelhoden liegt der Hoden im Hodensack und steigt NUR bei per Muskelreflex (z.B. bei Kälte) bis vor den Leistenkanal hinauf. Der Hoden steigt dann bei Nachlassen der Muskelanspannung stets ohne weitere Maßnahmen wieder ab. Es handelt sich beim Pendelhoden um eine nicht behandlungsbedürftige Normvariante der Beweglichkeit der Hoden (er sollte regelmässig kontrolliert werden).
Eine Behandlung ist bei Bauch-, Leisten- oder Gleithoden bei ausbleibender Wanderung unbedingt nötig, es drohen sonst durch verstärkten Druck und erhöhte Temperatur eine Schädigung der Spermazellen, Unfruchtbarkeit und ein erhöhtes Krebsrisiko.
Therapeutisch werden beim Maldescensus testis GnRH (gonadotropin-releasing-Hormon, auch LHRH genannt) eingesetzt. Die Erfolgsquote liegt aber nur bei 11–28%, daher wird oft direkt an die LH-RH-Therapie anschließend eine HCG Injektionstherapie durchgeführt, dies steigert die Erfolgsraten um 10–30 %.("Diagnostik und Therapie des Maldescensus testis", DER MANN 2003; 1 (2): 14 –6.). Beide Hormone fördern die Reifung der kindlichen Geschlechtsorgane.
Bei erfolgloser Hormonbehandlung wird der Hoden operativ gelöst und anschließend im Hodensack befestigt (70-90% Therapieerfolg). Zitat aus den Leitlinien zum "Hodenhochstand - Maldeszensus testis": Ziel ist, mit Vollendung des 1. Lebensjahres die Behandlung abgeschlossen zu haben (der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Urologie, der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, vertreten durch die Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Endokrinologie).
"Im August ging ich zum Urologen, weil immer nur 1 Hoden im Skrotum lag, um mir eine zweite Meinung einzuholen."
das war richtig, bei einem Dauerzustand ist es ja kein Pendelhoden mehr.
"Der Urologe wies uns sofort ein, weil ein Gleithoden vorlag, der bereits vor 4 Jahren hätte operiert werden müssen."
Stimmt. Ein Gleithoden ist wie ein Leistenhoden eine behandlungsbedürftige Form des Maldescensus testis.
"Meine Frage nun: Kann aus einem Pendelhoden ein Gleithoden werden, oder ist der Gleithoden schwer zu diagnostizieren?"
Was sagt der Urologe dazu? Nach der Verdachtsdiagnose Pendelhoden sind Kontrollen sinnvoll (bei einem grenzwertigen Befund könnte es zu einer Verwechslung kommen). Eltern und Kinderarzt sollten also öfter prüfen, ob sich die Hoden in ruhiger Umgebung und warmer Umgebungstemperatur im Hodensack befinden, nicht nur an einem einzigen Untersuchungstermin. Ist der Hodensack auch ohne Kälte oder sonstige Reize wie von Ihnen beschrieben dauernd leer, dann stimmt etwas nicht.
Fehldiagnosen sind möglich, es kann sein, dass der Kinderarzt damals die Situation falsch eingeschätzt hat. Denkbar ist aber auch der seltene Fall einer
sekundären Ascension, dabei liegt der Hoden zunächst am richtigen Ort und steigt dann langsam mehr und mehr nach oben, da der Samenstrang nicht adäquat mitwächst.
Die Frage ist, also ob den Kinderärzten bei den weiteren Kontrolluntersuchungen durch den Kinderarzt nie etwas aufgefallen ist. Wenn Ihr Sohn jetzt 6 Jahre alt ist, wurden doch nach der U7 im zweiten Lebensjahr noch im 3 1/2 bis 4. Lebensjahr die U8 und im 5. bis 5 1/2 Lebensjahr die U9 durchgeführt! Wurde da auch stets wieder ein Pendelhoden bestätigt?
Beste Grüsse und Alles Gute, halten Sie uns auf dem Laufenden
Ihr Cyberdoktor-Team
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