Hallo,
möchte mich erst mal als neues Forenmitglied vorstellen.
Ich bin männlich, 46 Jahre alt, geschieden, eine erwachsene Tochter, arbeite als Hardwareentwickler und wohne im Raum München⁄Chiemsee.
Meine Leidensgeschichte beginnt als ich 25 Jahre alt war. Ich war damals verheiratet und meine Tochter war noch ein Baby. Ich arbeitete in einer Firma, die Sondermaschinen im Druckereisegment herstellte und bin damals viel bei Kunden zu Montagearbeiten unterwegs gewesen. Ich war körperlich und geistig völlig gesund, bis auf einen leicht erhöhten Blutdruck, den ich immer schon hatte.
An einem Dienstag vormittag, stand ich in einer Schlange am Brotzeittresen einer Metzgerei und wollte mir zwei Leberkässemmeln kaufen.
Plötzlich traf es mich, als hätte mir jemand eine Keule über den Kopf gezogen. Ich hatte das Gefühl, der Boden würde mir unter den Füßen weggezogen werden. Ich hatte auf beiden Ohren starken Tinnitus und einen starken Augennystagmus. Ich habe die Metzgerei fluchtartig verlassen mit dem Gefühl jeden Moment ohnmächtig zu werden.
Draussen im Auto sitzend, wurde es langsam wieder besser.
Der Tinnitus und ein Gefühl als wäre das ganze Gehirn wie aus schwabbeligem Brei blieb aber. Ebenso ein ständiges Schwindelgefühl. Die nächsten Wochen waren der Horror. Ständige Schwindelgefühle, ein Gefühl als wäre ich nicht ich selbst, sondern würde neben mir stehen, immer wieder regelrechte Panikattacken, Albträume, nicht einschlafen⁄durchschlafen können obwohl ich ständig müde⁄abgeschlagen war, verschwommenes Sehen - Würmchen⁄Blitze in den Augen, Tinnitus, im Halbschlaf immer wieder einen lauten Knall hören(obwohl nachweislich nicht vorhanden), sehr sensibles (lautstärkeempindliches Gehör), sehr sensible Zähne, teilweise ein kribbeliges Gefühl im Gesicht und in den Händen, Schweißausbrüche und ständig die Angst es könnte eine schlimme Krankheit sein.
Ich ging zum Arzt, erzählte das geschehene und meinen derzeitigen Zustand. Als erstes Blutdruckmessen - Sie haben ja einen viel zu hohen Blutdruck (160⁄90) das erklärt alles.
Ich bekam dann blutdrucksenkende Medikamente - Hilfe gegen meine Symptome gleich null.
Im Laufe der nächsten Monate blieb der Zustand relativ unverändert. Aufgrund der damaligen Kriese im Maschinenbau wurde ich bei meinem Arbeitgeber entlassen und arbeitete dann bei einem Bekannten in dessen Computershop. Ich merkte, dass sich mein Zustand ständig besserte, dies dauerte fast 2 Jahre, aber ganz Beschwerdefrei war ich nie. Privat kam es zur Scheidung von meiner Frau und ich hatte keine so richtige Lust mehr als Elektroniker weiterzuarbeiten.
Da ich bei der Bundeswehr den LKW-Führerschein erworben habe, kam ich auf die Idee es mal im Fernverkehr zu versuchen. Ich arbeitete daraufhin ca. 4 Jahre als LKW-Fahrer überwiegend auf Touren in Italien und Spanien. Der Job war zwar sehr stressig und mit wenig Schlaf verbunden, aber ich kam meist sehr gut zurecht.
An einem Montag vormittag auf der Autobahn kurz vor Florenz, ca. 8 Jahre nach dem ersten Anfall in der Metzgerei dann ein erneuter sehr starker Schwindelanfall, die gleichen Symptome wie damals, ich konnte den LKW mit viel Mühe noch am Standstreifen zum stehen bringen. Nach ein paar Sekunden wieder alles vorbei, aber wieder diese Symptome wie nach dem Anfall vor 8 Jahren. Ich habe in der Nähe von Florenz abgeladen und fuhr zurück nach Sassuolo um dort am nächsten Tag Fliesen zu laden. Ich habe in der Nacht eigentlich relativ gut geschlafen aber am Morgen merkte ich schon, dass sich keine Besserung der Symptome eingestellt hat. Bei der zweiten Ladestelle, beim Abholen der Ladepapiere wieder ein starker Anfall über mehrere Minuten mit starkem Nystagmus. Daraufhin war an weiterarbeiten nicht mehr zu denken. Ich habe die Spedition angerufen und mitgeteilt, dass ich bis nach Bozen hochfahre und mich dort jemad abholen soll.
Wieder zuhause bin ich sofort zu meiner Hausärztin und habe von meinen Problemen erzählt, es wurde ein kompletter Rundumcheck durchgeführt und ich wurde zum HNO-Arzt und zu einer Psychologin überwiesen. Keiner konnte etwas feststellen. Als nächstes ein CT im Krankenhaus - keine Auffälligkeiten. Nachdem sich wie erwartet nach mehreren Wochen immer noch keine Besserung eingestellt hatte (mir war das schon klar, ich habe das ganze ja schon mal durchgemacht), meinte meine Ärztin, sie könne mich jetzt nicht mehr krankschreiben, ich sollte mir überlegen einen anderen Job zu suchen, der nicht so stressig ist.
Gesagt getan, ich stellte mich in einem Ingenieurbüro vor und wurde sofort eingestellt. Anfangs war ich noch in der Produktion tätig, wechselte dann aber sehr schnell in die Entwicklungsabteilung und arbeite seitdem als Hardwareentwickler. Im Laufe der Jahre übernahm ich die Leitung der Abteilung und konnte mit meiner Arbeit, dem Gehalt und Bonbons wie teuren Firmenwagen, Reisen ins Ausland usw. sehr zufrieden sein. Auch privat habe ich nach langem Zögern wieder eine Beziehung zu einer Frau die ich sehr liebe. Die Symptome haben sich über die Jahre stark abgeschwächt, waren aber immer präsent, mal stärker mal weniger stark. Das schlimmste ist eigentlich die Angst vor einem neuen Anfall, der einem über Jahre hinweg wieder die Hölle bereitet.
Dann vor nun ca. vier Jahren der Supergau - ein extrem starker Anfall am Arbeitsplatz, extremer Drehschwindel und Nystagmus, dieser Zustand hörte aber nicht wie bei den Anfällen vorher wieder nach ein paar Sekunden auf, sondern ging nicht mehr weg. Es gesellte sich starker Brechreiz hinzu, ich musste mich ständig übergeben. Meine Sekretärin holte den Notarzt und ich wurde mit Blaulicht in ein Münchner Krankenhaus gebracht. In der Notaufnahme wurde ich ertmal mit einer Infusion gegen die Übelkeit versorgt, dann ein CT, bei dem nichts festgestellt wurde.
Dannach in die HNO-Abteilung, der Arzt stellte die Diagnose Neuronitis vestibularis, mit der Frenzel Brille war auch der Nystagmus sehr deutlich zu sehen.
Ich dachte mir - endlich nach so vielen Jahren eine eindeutige Diagnose.
Dann die Entäuschung - auf meine Frage woher das kommt und wie man das behandeln kann - woher das kommt und was die genauen Auslöser sind ist nicht genau bekannt, eine effektive Behandlung gibt es nicht, man kann nur abwarten bis es sich von selbst bessert, bzw. die anderen Komponenten des Gleichgewichtssystems den Ausfall ausgleichen.
Ich wurde stationär aufgenommen und es wurden über den Zeitraum von 3 Wochen alle nur erdenklichen Tests, inkl. MRT zum Ausschluss einer anderen Erkrankung durchgeführt. Da ich privatversichert bin, wurde hier so richtig rangeklotzt. Es wurde aber wie zu erwarten nichts anderes gefunden. Der akute Schwindel wurde in der Zeit des Krankenhausaufenthalts immer besser und nach der Entlassung wurde ich zu einer Physiotherapeutin überwiesen um dort Schwindeltraining zu machen. An Medikamenten nahm ich über ca. 6 Monate hinweg Aequamen. Nach ca. 3 Monaten gings mir eigentlich wieder ralativ gut aber immer dieser Dauerschwindel im Hintergrund und die Angst vor einem neuen Anfall. Es gibt Tage da geht es gut, an anderen Tagen ist man am verzweifeln. Dies zieht sich nun schon über Jahre so und es raubt einem langsam alle Lebensfreude. Man zieht sich immer mehr zurück, meidet Situationen, die man für Auslöser von Schwindelattacken hält, es ist so wie auch mein Vorredner Hans86 hier geschrieben hat:
Auch wenn es oft verharmlost wird, so ist gerade bei diesem Krankheitsbild der psychische Einfluss enorm, insbesondere durch die Lenkung der Aufmerksamkeit. Durch dieses (meist) heftige Erlebnis des Ausfalls beginnt man häufig, ständig auf sein Inneres zu achten (ist mir gerade schwindelig?), so dass der eigentlich automatisch ablaufende Prozess des Gleichgewichts (Interaktion vieler Organe), sozusagen ent-automatisiert wird durch die ständige Kontrolle. Das kann objektiv schwindel auslösen, der keineswegs was mit Einbildung zu tun hat. Dieser hat oft Schwank-, Wank- oder ruckartigen Charakter. So hat man auch bei (weitgehender) Besserung des Organs oft das Gefühl noch schwer krank zu sein. Im Zusammenspiel mit Restproblemen des erholenden Organs kann sich das im Zusammenhang mit Angst, heftiger Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit schnell zu einer Abwärtsspirale aufschaukeln.
Leider ist es bei mir so, dass ich diesen Besserungsverlauf nun schon mehrfach durchgemacht habe und immer dann, wenn man fast Beschwerdefrei ist, ein neuer heftiger Anfall die ganze jahrelange Arbeit in Sekunden zunichtemacht.
In den letzten Monaten ist es wieder ganz schlimm, ich bin psychisch am Ende. Ich habe ständig Angst davor, dass mich ein starker Anfall wieder fertigmacht, dieses Auf und Ab bestimmt nun schon seit mehr als 20 Jahren mein Leben, ich glaube, dass ich nach dem nächsten Anfall, der bestimmt kommt, nicht mehr die Kraft habe wieder von vorn anzufangen - es ist aussichtslos.
Gibt es denn immer noch keine Möglichkeit diese Krankheitsbild erfolgreich und anhaltend zu behandeln (Heilung)?
Ich bin absolut kein Freund von Psychopharmaka, aber sollte ich in meiner Situation an eine Medikation denken und eine Psychiater aufsuchen?
Antwort schreiben