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Allgemeinmedizin

Reaktorunfall - Jodtabletten Einnahme in Deutschland?

von petra1 , 14.03.11 18:06
Liebes Team,

ich habe gelesen, dass viele Menschen nach dem Reaktorunfall in Japan auch in Deutschland Jodtabletten kaufen, ist das sinnvoll?

LG

Petra

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Re: Reaktorunfall - Jod Einnahme in Deutschland?

von Cyberdoktor , 14.03.11 18:23
Liebe Petra,

"ich habe gelesen, dass viele Menschen nach dem Reaktorunfall in Japan auch in Deutschland Jod Tabletten kaufen, ist das sinnvoll?"
nein.

Zunächst einige Worte zur Bedeutung von Iod für den menschlichen Körper: es ist ein wichtiger Baustein bei der Produktion von Schilddrüsenhormonen und wird in der Schilddrüse auch gespeichert.

Kommt es nach einem Reaktorunfall zur Freisetzung von radioaktivem Iod, wird diese Drüse durch die Strahlung aus eingelagertem Reaktor-Iod belastet, es besteht ein Krebsrisiko.

Die Einnahme von Iod-Tabletten (Kaliumiodid) kann die Aufnahme dieser schädlichen Iod-Variante verhindern ("Jodblockade", Verwendung von Jodtabletten zur Jodblockade der Schilddrüse bei einem kerntechnischen Unfall, Strahlenschutzkommission 2004 ).

Wenn nun also in Japan die Bewohner der vom Fallout (=auf den Boden sinkende radioaktive Substanzen) aus den havarierten Fukushima Kernreaktoren betroffenen Gebiete diese Iod-Tabletten einnehmen, ist das gewiss sehr sinnvoll. In Deutschland gibt es allerdings keinen Anlass zu dieser Massnahme, es ist nicht zu erwarten, dass grössere Mengen radioaktives Iod vom weite entfernten Japan bis in unsere Regionen vordringen können.

Wenn es Anzeichen für eine Gefährdung gibt, stehen kurzfristig genug Tabletten zur Verfügung, allein die deutschen Atomstromkonzerne haben mehr als 100 Millionen Kaliumiodid-Tabletten eingelagert ( Der Spiegel 3/2004 ).

Vor einer selbstverordneten Einnahme müssen wir dringend abraten, die Iod-Dosis der Tabletten ist so hoch (ca. 650 mal die empfohlene Iod-Tagesdosis), dass bei bestimmten Personengruppen ernste Nebenwirkungen drohen (Schilddrüsenüberfunktion). Eine sehr hohe Iod-Aufnahme kann ausserdem zu Haut- und Schleimhautsymptomen führen ( Klaus Aktories, Ulrich Förstermann, Franz Bernhard Hofmann, Klaus Starke 2009, Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie. ). Auch ist die Gabe einer Iodblockade vom Alter der Betroffenen und Vorerkrankungen abhängig, z.B. sollten Personen über 45 Jahren kein Kaliumiodid als Schutz bei Atomunfällen einnehmen (Strahlenschutzkommission, Literaturlink siehe oben).

Siehe auch: Nach Atomunglück: Lebensmittel aus Japan sicher? .

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Beste Grüsse

Ihr Cyberdoktor-Team

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Re: schützt Jodsalz?

von baldener , 17.03.11 09:01
Hallo,

kann man nicht auch einfach Jod-Speisesalz nehmen?

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Re: schützt Jodsalz?

von Cyberdoktor , 17.03.11 09:24
Hallo,

"kann man nicht auch einfach Jod-Speisesalznehmen?"
Sie meinen als zwecks einer Iodbockade bei einem Atomunfall? Nein, das wird nicht klappen.

Jodsalz enthält nur verhältnismäßig geringe Mengen Iodat (15 bis 25 mg Iod pro Kilogramm Salz). Allein um die täglich empfohlene Iodzufuhr sicherzustellen (Für Erwachsene laut der DGE, Deutsche Gesellschaft f 180–200 µg Iod/Tag) wären bereits 8g Iodsalz nötig.

Für eine Iodblockade werden aber extreme Mengen Iod benötigt, da nicht der tägliche Bedarf gedeckt, sondern die körpereigenen Iodspeicher möglichst komplett aufgefüllt werden müssen. Daher enthält bereits eine der speziellen Jodtabletten, die bei einem Reaktorunfall aufgegeben werden, sage und schreibe 100 Milligramm Iodid, so viel wie einige Kilo Jodsalz.

Ausserdem verweisen wir erneut auf den Umstand, dass nach der Reaktorkatastrophe in Japan aufgrund der grossen Entfernung in Deutschland akut keine bedrohlichen Werte für radioaktives Iod zu erwarten sind und kein Bedarf für eine Jodblockade besteht.

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