Liebe Brigitta,
"mein Sohn ist 2Monate alt. Wir möchten ihn beschneiden lassen."
warum? Die Beschneidung (Zirkumzision) von Babys als Routinemaßnahme ohne Phimose, zur (zweifelhaften) Hygiene-Verbesserung oder aus ästhetischen bzw. religiösen Gründen ist aus ärztlicher Sicht abzulehnen, auch wir würden daher dringend davon abraten.
Manche Menschen halten es ja für ein eher lästiges Anhängsel, das Präputium (die Bezeichnung mag ein wenig an eine Art Ordensgelübde erinnern, ist aber nur die lateinische Übersetzung für Vorhaut), die Natur erlaubt sich aber normalerweise keine unnötigen Körperteile, d.h. auch bei der Vorhaut muss man von einem Nutzen ausgehen.
Anatomie der männlichen Genitalien, die Vorhaut ist grün markiert.
Eine Zirkumzision ohne medizinische Gründe sollte man daher vermeiden, denn es gilt: Fehlt die Vorhaut, wird die Eichel nicht mehr feucht gehalten, ist ständig trocken und äusseren mechanischen Einflüssen ausgesetzt, die Empfindungsfähigkeit nimmt meist ab, dies zeigen auch wissenschaftliche Studien ("Fine-touch pressure thresholds in the adult penis." British Journal of Urology International 2007; 99: 864–9.").
Die Vorhaut ist also nicht nutzlos, eine routinemässige Beschneidung ohne medizinische Gründe kann in Deutschland daher völlig zu recht für den Arzt ernste Konsequenzen haben: "Zirkumzision bei nicht einwilligungsfähigen Jungen: Strafrechtliche Konsequenzen auch bei religiöser Begründung", Dtsch Arztebl 2008; 105(34-35): A-1778 / B-1535 / C-1503.
" Ich war zwar heute beim Kinderchirurg, gut beraten wurde ich aber nicht. Sie hat gemeint, dass mein Sohn schon zu groß wäre für örtliche Beteubung, da das auf Größe berechnet wird. "
wenn eine Beschneidung nötig ist (z.B. bei starker Vorhautverengung): bei Kindern wird nicht örtlich betäubt, sondern eine Vollnarkose durchgeführt, der Eingriff ist sonst sehr schmerzhaft, man braucht daher eine ausreichende Narkosetiefe ("Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin bei Kindern", Georg Thieme Verlag). Nur bei Erwachsenen sollte man lokal betäuben.
"Stimmt das, daß die Betäubung nicht 100% betäubt?"
normalerweise schaltet (bei Erwachsenen) eine korrekt gesetzte örtliche Betäubung den Schmerz bei der Beschneidung aus, es sind aber Fehler möglich (die Vollnarkose schaltet Schmerzen natürlich sicher aus).
"Fühlen die Babyes den Schmerz?"
normalerweise nur nach der OP (wie bei allen frischen Wunden). Vor während und nach der OP wird das Kind durch die Umstände evt. belastet (Fremde Umgebung etc.).
"Wird er dabei traumatisiert?"
wir würden den Kleinen nicht ohne Grund dieser recht belastenden Situation aussetzen, von einem Trauma kann man bei einer Vollnarkose aber nicht sprechen (bei sonstigen Betäubungen ist ein Trauma aber sehr wohl möglich).
" Wie lange dauert die Beschneidung?"
ein kurzer Eingriff, den der Profi in wenigen Minuten schafft.
"Angeblich wenn wir das nicht innerhalb von 2Wo machen lassen, könnte man den Prozeß erst mit 1Jahr in Vollnarkose machen, warum?"
es gibt keinen Zeitdruck! Lassen Sie den Sohn selbst über die Risiken entscheiden, wenn er ein junger Erwachsener ist. Eine Vollnarkose würde bei Kindern so oder so gemacht. Der Eingriff ist aber wie gesagt bei einem gesunden Kind abzulehnen, holen Sie einfach eine zweite Meinung ein.
"Irgendwie habe ich kein gutes Gefühl bei Vollnarkose bei einem 1Jahr altes Kind? Ist es nicht zu gefährlich und schädlich?"
in der Tat sollte man niemals eine Narkose ohne Grund anwenden und niemals ohne Grund operieren. Ist die Beschneidung nicht medizinisch begründet, sollte man dieses Risiko niemals eingehen. Eine Narkose ist normalerweise zwar nicht schädlich, ein Narkosezwischenfall kann aber in sehr seltenen Fällen passieren, wer will die Schuld auf sich laden und später im Falle eines Falles dem Kind erklären, dass es wegen einer seinerzeit nicht zwingend nötigen OP Schaden genommen hat. Wenn angesichts von Krankheitssymptomen beschnitten werden muss, ist das Narkoserisiko natürlich hinzunehmen.
Eine Beschneidung ohne Vollnarkose ist für Kinder abzulehnen, dies ist keine harmlose und unter örtlicher Betäubung schmerzfreie Warzenentfernung o.ä., es wird viel sensible Haut geschnitten.
Wie bei jeder OP drohen die üblichen allgemeinen Komplikationen, z.B. Nachblutungen, Blutergüsse, Wundinfektionen, Wundheilungsstörungen, störende Narben, Sensibilitätsstörungen. Bei einer Zirkumzision kann in einigen Fällen auch eine Reoperation nötig sein (z.B. bei Nachblutung oder Verengungen).
"Was ist das beste Alter für die Beschneidung"
wenn es keine akuten Gründe gibt: wenn der Betroffene gross genug ist, um selbst zu entscheiden!
" ich meine wann es fürs Kind mit wenig Schmerz verbunden ist und mit kleiner Gefahr auf Komplikationen?"
Nach der OP wird das Kind so oder so Schmerzen haben, Komplikationen sind (sehr selten) unabhängig vom Alter stets möglich.
Wenn keine medizinischen Gründe vorliegen, raten wir wirklich dringend von dem Eingriff ab, Sie sehen, dass wir hier nicht dramatisieren und nur von sehr kleinen Risiken reden (und auch Ihre Frage nach einem Trauma verneinen), die Argumente für die Ablehnung des Eingriffs bei Säuglingen sind medizinischer Natur, gestützt beispielsweise durch die oben genannte Literatur, man sollte besonders für Kinder, wenn es möglich ist, auch kleinste Risiken stets generell vermeiden.
Wenn gegen den ärztlichen Rat gehandelt wird (z.B. aus religiösen Gründen) und die genannten Risiken in Kauf genommen werden, dann sollte zunächst nicht komplett beschnitten, sondern eine partielle Zirkumzision durchgeführt werden.
Beste Grüsse und Alles Gute, halten Sie uns auf dem Laufenden
Ihr Cyberdoktor-Team
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