Hallo,
"ich bin ein wenig verzweifelt. Mein Freund war vor ca. sechs Wochen in Berlin. Abends war er dort auf einer Party und hat dort mit ca. 10 Leuten sehr viel getrunken und Drogen geschnupft."
nicht sehr schlau, wenn er Drogen wie Kokain schnupft hat er eine Konsumstufe erreicht, deren Gefährdungspotential mit dem eines gelegentlichen Joints nicht mehr zu vergleichen ist, man kann nur dringend empfehlen, eine Drogenberatung auszusuchen bzw. mit dem Hausarzt das Problem zu besprechen.
"Am Ende des Abends ist ihm aufgefallen, das sich an den Papierröllchen überall Blut befunden hat. "
kein Wunder, Kokain schädigt die Nasenschleimhaut (nach und nach wird bei einigen Konsumenten sogar die Nasenscheidewand zerstört), Nasenbluten ist die logische Konsequenz.
Es erscheint uns aber in dem von Ihnen geschilderten Fall kaum vorstellbar, dass es zu einer HIV Übertragung gekommen sein könnte.
Es gibt keinerlei Berichte über eine HIV Übertragung durch gemeinsam benutzte Schnupf-Hilfsmittel wie Geldscheine oder sonstige Röhrchen. Ein Papierröllchen dürfte kleine Blutmengen sehr schnell aufsaugen, auch das Kokain-Pulver bindet das Blut, wir sehen angesichts der äusserst geringen Blutmengen keine realistische Infektionsgefahr. Wenn eine so relativ weit verbreitete Angewohnheit wie das Teilen von Schnupf-Hilfsmitteln eine HIV Übertragung ermöglichen würde, hätte sich das längst in den Ausbreitungsmustern des Virus gezeigt. Es gibt aber keinerlei derartige Literaturberichte. Andere Viren (das Hepatitis C Virus) wurden zwar unter Laborbedingungen auf in die Nase eingeführte Teströhrchen übertragen, eine Weitergabe auf andere Personen ist damit aber für Hepatitis C längst noch nicht sicher, ausserdem müssen für eine HIV Infektion, anders als bei Hepatitis, viel mehr Viren (= grössere Blutmengen) übertragen werden ("Intranasal transmission of hepatitis C virus: virological and clinical evidence. Clinical Infectious Diseases 47: 931-934, 2008."), wir sehen dafür keine Chance.
Eine Infektion mit Atemwegsinfekten (Schnupfenviren, Grippeviren etc.) aller Art scheint beim Teilen der Schnupfutensilien aber durchaus möglich, diese Viren sind ja spezialisiert auf das Eindringen über die Nasenschleimhäute. Ausserdem können wir es Ihnen nicht ersparen: das Einführen eines Röhrchens, das eben noch in der verrotzten Nase eines anderen Menschen steckte, ist recht unhygienisch und unappetitlich, evtl. nimmt Ihr Freund diese Vorstellung nun ja zum Anlass, eine Drogenberatung aufzusuchen...
"Dann wurde er krank, sprich Erkältung mit Halsschmerzen, verstopfter Nase, Niesen usw. Symptome waren kurze Zeit weg und sind dann wieder aufgetaucht."
Das würde zu den typischen banalen Infektionen der kalten Jahreszeit passen, für Panik bezüglich HIV gibt es keinen Grund.
"Lymphknoten sind seitdem immer leicht angeschwollen am Hals, trotzdem beweglich und jetzt fängt es in der Leistengegend an. Nachts hatte er Nachtschweiß."
Auch das passt zu winterlichen Atemwegsinfektionen, ausserdem könnte es auch eine gute Dosis Angstschweiss sein.
"Teilweise an Händen und Füßen. Dazu kommen ständige Hitzewallungen, ich schätze aus Angst. Das Kratzen im Halsrachen will nicht weggehen. Lymphknoten im Hals sind nur leicht zurückgeschwollen. Was meinen sie?"
Was meint der Haus- oder HNO-Arzt? Eine banaler Atemwegsinfekt scheint wahrscheinlich.
"Treten die Symptome schon nach so einer kurzen Zeit auf?"
theoretisch möglich.
"Wir wollen demnächst zum Arzt gehen wegen einem Bluttest, aber wahrscheinlich ist die Zeit nach 6 Wochen noch zu kurzfristig, oder?"
dennoch würde man bereits einen Test machen können. Ausreichende Sicherheit werden Sie aber erst nach drei Monaten haben (siehe oben).
"Habe von einer PEP-Behandlung gelesen. Kann man die nach so einer langen Zeit noch anwenden?"
im Falle einer Exposition mit recht sicher positiven Blut muss man die Postexpositionsprophylaxe sofort beginnen.
"Wir haben beide Angst vor der Zukunft. Ich habe gelesen, daß man dann trotzdem noch Kinder kriegen kann"
eine Schwangerschaft ist aber trotzdem nicht unproblematisch.
"oder übernimmt das die Krankenkasse?"
ja. Das sind aber völlig unnötige Sorgen, eine HIV Ansteckung ist kaum denkbar. Wenn Sie sich Sorgen um Kinder machen, sollte Ihr Freund dringend den Konsum harter Drogen einstellen! Die Wahrscheinlichkeit, dass er durch den Kokainkonsum früher oder später krank wird, ist wesentlich realer und grösser als die absurd theoretische "Gefahr" durch HI-Viren auf gerollten Geldscheinen. Wenn Sie wollen, können Sie uns demnächst über die - gewiss negativen - Tests berichten.
Beste Grüsse und Alles Gute, halten Sie uns auf dem Laufenden
Ihr Cyberdoktor-Team
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