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Arbeits- und Umweltmedizin

Arbeitsmedizinische Untersuchung freie Arztwahl?

von Belu , 17.10.11 14:39
Schönen Guten Tag, ich habe gestern einen netten Brief meines Arbeitgebers in der Post gehabt, in dem steht , dass ich zur Arbeitsmedizinischen Untersuchung soll ( bin Arzthelferin bei einem Pflegedienst) innerhalb einer Frist von 2 Wochen sonst würden rechtliche Schritte und Kündigung drohen.

Meine Frage ist nun, kann der Arbeitgeber einen wirklich zwingen zu dem von ihm ausgesuchten Amtsarzt zu gehen? kann man eine Tauglichkeitsuntersuchung mit den erforderlichen Dingen nicht auch bei seinem Hausarzt machen lassen? Ich mein es besteht doch freie Arztwahl oder? Und können die wirklich verlangen , dass man sich Blut abnehmen lassen muss oder eine Urinprobe? also ich hab ja sicher nichts gegen eine allgemeine Untersuchung RR messen oder abhorchen oder so aber Blut abgeben gehört für mich schon zu den sehr intimen privaten Sachen- man weiß ja heute nie.

Vielen Dank schon mal

Lieben Gruß

Anna

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Re: Arbeitsmedizinische Untersuchung freie Arztwahl?

von Cyberdoktor , 20.10.11 15:22
Liebe Anna,

"kann der Arbeitgeber einen wirklich zwingen zu dem von ihm ausgesuchten Amtsarzt zu gehen?"
kommt u.a. darauf an, aus welchem Grund die Untersuchung ansteht.

Arbeitgeber können ärztliche Gesundheitsuntersuchungen je Branche aufgrund von Gesetzen (z.B. bei Berufen mit Patientenkontakt zwecks Verhütung der Weitergabe ansteckender Krankheiten), Tarifverträgen oder Unfallverhütungsvorschriften und sonstigen Arbeitsschutzbestimmungen verlangen.

Die Arztwahl kann im Einzelfall eingeschränkt sein, z.B. findet sich in diversen Tarifverträgen eine Klausel, dass bei Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung des Arbeitnehmers für die aktuelle Tätigkeit ein Amtsarzt (oder ein vergleichbarer Dienstleister, auf den sich die Tarifparteien geeinigt haben) eingeschaltet werden kann, im öffentlichen Dienst bzw. bei Beamten ist meist der Amtsarzt zuständig.

Steht dagegen bei speziellen Tätigkeiten eine Pflichtuntersuchung für Arbeitnehmer an, bei der geprüft wird, ob der Mitarbeiter weiter unter den speziellen Umständen arbeiten kann (z.B. beim Umgang mit Gefahrstoffen oder in Bereichen mit Infektionsgefahr), muss nicht jeder vom Arbeitgeber vorgeschlagene Arzt akzeptiert werden, der Arbeitnehmer kann, z.B. wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist, im Allgemeinen auch einen anderen Arbeitsmediziner aufsuchen (auf eigene Kosten).

Schliesslich gibt es noch den Fall, dass Arbeitgeber Zweifel haben, ob eine Krankschreibung gerechtfertigt ist, dann werden die Ärzte des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) aktiv, in diesem Fall hat der Mitarbeiter dann keine freie Arztwahl. Übrigens werden die Ärzte des MDK umgangssprachlich auch oft - fälschlicherweise - als Amtsärzte bezeichnet.

Fragen Sie beim Arbeitgeber nach der konkrete Rechtsgrundlage für die Untersuchung in Ihrem Einzelfall, d.h. aufgrund welcher Gesetze, Tarifverträge oder Vorschriften wird der Arztbesuch verlangt. Auch wäre es denkbar, das im Vertrag Regeln zu Untersuchungen stehen.

"kann man eine Tauglichkeitsuntersuchung mit den erforderlichen Dingen nicht auch bei seinem Hausarzt machen lassen?"
Da in der Regel arbeitsmedizinisches Know-How gebraucht und der Arzt den jeweiligen Arbeitsplatz einschätzen muss, ist zumindest ein anderer Arbeitsmediziner auswählen (in den Fällen mit Wahlmöglichkeit, siehe oben), ein Hausarzt ist normalerweise nicht qualifiziert.

"Und können die wirklich verlangen , dass man sich Blut abnehmen lassen muss oder eine Urinprobe?"
auch hier kommt es wieder auf die speziellen Anforderungen und den konkreten Anlass an. Eine Blutentnahme oder sonstige schmerzhafte Untersuchungen muss der Arbeitnehmer nicht ohne guten Grund in jedem Beruf hinnehmen. Bei bestimmten Berufen, z.B. bei OP-Mitarbeitern, ist allerdings ein Blutentnahme zwecks Ausschluss von Infektionskrankheiten erforderlich, wird diese verweigert, darf der Mitarbeiter nicht im OP eingesetzt werden. Auch sonstige Untersuchungen müssen begründet sein, der Arzt kann nicht einfach aus Neugier den Patienten von Kopf bis Fuss komplett untersuchen und beliebige Proben entnehmen (siehe DGUV: Leitfaden für Betriebsärzte zu arbeitsmedizinischen Untersuchungen (PDF) ), das gilt auch für Urinproben.

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