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Arbeits- und Umweltmedizin

starkes Übergewicht bei Einstellungsuntersuchung

von Schokolienchen , 17.05.11 13:14
Hallo Ich habe viel zur Einstellungsuntersuchung, aber nichts zu meinem konkreten Problem gefunden. Ich habe einen Arbeitsvertrag bei einem großen Industrieunternehmen unterschrieben, in dem steht, dass er nur bei gesundheitlicher Eignung zustande kommt. Ich bin ziemlich gesund, habe allerdings einen BMI von 35. Meine Frage wäre daher, ob mir ein Betriebsarzt daraus einen Strick drehen kann. Es handelt sich um einen Bürojob. Oder kann ich davon ausgehen, dass er im Sinne des Arbeitgeber handelt, der mich ja auf jeden Fall einstellen möchte? Ich habe nach zwei kurz aufeinander folgenden Schwangerschaften bisher die Kurve zum Abnehmen nicht gekriegt, bin jetzt aber mit dieser tollen Perspektive schon dabei und auch erfolgreich. Reicht das einem Betriebsarzt? Vielen Dank für die Hilfe

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Re: starkes Übergewicht bei Einstellungsuntersuchung

von Cyberdoktor , 17.05.11 15:54
Hallo,

"Ich habe einen Arbeitsvertrag bei einem großen Industrieunternehmen unterschrieben, in dem steht, dass er nur bei gesundheitlicher Eignung zustande kommt. "
das ist die übliche Formulierung.

"Ich bin ziemlich gesund"
prima. Also beste Voraussetzungen für eine entsprechend positive Eignungsempfehlung des Betriebsarztes.

"habe allerdings einen BMI von 35."
Keine Panik. Der Body-Mass-Index ist eine Rechenspielerei, deren Ergebnisse mit Vorsicht zu geniessen sind. So werden gnadenlos Männlein und Weiblein verwurstet und auch das Alter lässt die Formel unter den Tisch fallen. Individuelle Körperbautypen (Muskeln, Fett?), die ganz normale Gewichtszunahme im Alter oder geschlechtsspezifische (hormonbedingte) Fettdepots bleiben unbeachtet. Ein hoher BMI Wert ist also nicht automatisch mit einem Abnehmbedarf oder Gesundheitsgefahren gleichzusetzen. Der BMI Wert sollte allenfalls als grober Orientierungswert eingesetzt werden, in der Praxis schaut man dann genauer hin, ob weitere Risikofaktoren vorhanden sind und eine Gewichtsreduktion sinnvoll ist.

"Meine Frage wäre daher, ob mir ein Betriebsarzt daraus einen Strick drehen kann. Es handelt sich um einen Bürojob."
leider gab es in der Vergangenheit (wenige Einzel-)Fälle, wo Bewerber allein Aufgrund von hohen BMI-Werten abgelehnt wurden (in der Regel bei Beamtenanwärtern). Wenn ein Arzt einen BMI als einziges Tauglichkeitskriterium einsetzt, darf man an seiner Qualifikation zweifeln, es sollte dann mit einem Anwalt die Möglichkeit einer Klage geprüft werden.

Übergewicht führt nicht automatisch und pauschal zu einer verkürzten Lebenserwartung. Siehe z.B. Romero-Corral A et al. 2006: "Association of bodyweight with total mortality and with cardiovascular events in coronary artery disease: a systematic review of cohort studies." , in dieser Analyse zeigten Patienten mit einem BMI im Fettleibigkeitsbereich (30-35) kein erhöhtes Sterberisiko, während dagegen Dünne mit einem niedrigen BMI deutlich früher starben. Auch bei vielen schweren Krankheiten wirken sich Fettreserven positiv auf den Heilungsverlauf aus (siehe z.B. "Dick zu sein nützt Herzinsuffizienten", Ärzte Zeitung, 18.05.2006).

Normalerweise ist auch ein hoher BMI kein Einstellungshindernis. Der Betriebsarzt wird evt. auf einen Abnehmbedarf verweisen, derartige Einschätzungen sind aber eher Sache des Hausarztes. Je nach Einzelfall sind Diäten sogar kontraproduktiv, in einigen Studien zeigte sich, dass Menschen, die im Laufe des Lebens etwas zunehmen, leben länger als Diätfreunde (siehe z.B. Wannamethee SG et al. 2002: "Weight change, weight fluctuation, and mortality." ).

Mittlerweile gibt es auch ein Urteil, das (im Falle einer Verbeamtung, BMI über 30) eine Ablehnung allein aufgrund von BMI Werten für unzulässig erklärte (Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 5357/06).

"Oder kann ich davon ausgehen, dass er im Sinne des Arbeitgeber handelt, der mich ja auf jeden Fall einstellen möchte?"
wenn ernste Gründe gegen eine Eignung sprechen, darf ein Betriebsarzt keinesfalls Gefälligkeitsurteile fällen.

"bin jetzt aber mit dieser tollen Perspektive schon dabei und auch erfolgreich."
keine Eile, wenn der Hausarzt einen Abnehmbedarf sieht, dann bitte schön langsam.

Wir können uns nicht vorstellen, das Ihr Gewicht zu einem neagtiven Tauglichkeitsurteil führen wird, es wäre schön, wenn Sie uns bei Gelegenheit hier über den Erfolg der Bewerbung berichten würden.

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Viel Erfolg am neuen Arbeitsplatz wünscht

Ihr Cyberdoktor-Team

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