Start
>
Foren
>
Allgemeinmedizin

Antibiotikaeinnahme bei Streptokokken (Abstrich positiv und Halsschmerzen)

von Unbekannt , 23.03.14 10:46
Hallo,
ich bin etwas verunsichert wegen der Antibiotika-Einnahme bei Streptokokken. Ich hatte schon seit Monaten immer wieder Halsschmerzen,und ein Abstrich beim HNO-Arzt hat vor kurzem Streptokokken TypA nachgewiesen.Da ich im Kindergarten arbeite und da Fälle von Scharlach aufgetreten sind,war das für mich plausibel und dachte dass vielleicht die Halsschmerzen daher kommen.Er verschrieb mir Amoxicillin Brausetabletten 3mal am Tag (3000 mg insgesamt täglich).Der HNO-Arzt hielt 10 Tage Einnahme für wichtig.Bei einem Besuch beim Hausarzt(ein Internist) während dieser Zeit war der Hausarzt der Meinung,dass 7 Tage reichen und meinte dass das auch die gängige Empfehlung wäre.Was meinen Sie dazu,welche Aussage ist jetzt die richtige? Ich habe mich entschieden der Meinung des HNO-Arztes zu folgen und die Einnahme nach 7 Tagen nicht abzubrechen.Ich habe das Antibiotikum 10 Tage lang genommen,wobei ich am ersten Einnahmetag erst mittags mit der Einnahme begonnen habe und deshalb an dem Tag nur 2000 mg eingenommen habe.Also habe ich insgesamt 10 Tage eingenommen wobei eine Einnahme fehlte (1000mg).Ist das ein Problem für Resistenzen,Spätfolgen,usw?Ich mache mir nun Sorgen,dass die Therapie wegen dieser einen fehlender Einnahme nicht vollständig war...Der HNO-Arzt meinte das mache nichts.Was meinen Sie dazu?Für eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Antwort schreiben

Re: Antibiotikaeinnahme bei Streptokokken (Abstrich positiv und Halsschmerzen)

von Cyberdoktor , 24.03.14 09:36
Hallo,

"verunsichert wegen der Antibiotika-Einnahme bei Streptokokken."
ist in der Tat ein kompliziertes Thema.

Nach wie vor verschreiben Ärzte sehr häufig Antibiotika, wenn bei einer Rachen- bzw. Mandelentzündung (Pharyngitis, Tonsillitis) eine Beteiligung von Streptokokken der sogenannten β-hämolysierenden Gruppe A angenommen wird. Dieser sehr grosszügige Antibiotikaeinsatz ist dadurch begründet, dass es früher (Zeit vor dem 2. Weltkrieg) in vielen Fällen zu Komplikationen (akutes rheumatisches Fieber mit Herzentzündung und Poststreptokokken-Glomerulonephritis, das ist eine Nierenentzündung) gekommen ist und gross angelegte Studien an Kasernen-Soldaten aus 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts einen Schutzeffekt durch Penicillin zeigten.


streptokokken
Streptokokken: Antibiotikatherapie nicht in allen Fällen erforderlich. Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme.
Bild: CDC/Richard Facklam.


Die damaligen Infektionszahlen und Behandlungsstrategien haben den Weg in die Lehrbücher gefunden und wurden dann von Auflage zu Auflage übernommen und Teil der Lehrpläne. Bis diese Therapieempfehlungen überprüft werden, kann es Jahrzehnte dauern.

In den letzten Jahren wird die generelle Antibiotikagabe bei Halsentzündungen mit Streptokokken-Verdacht aber durch Studienergebnisse und aktuellere Erkrankungs-Statistiken zunehmend in Frage gestellt.

Mittlerweile ist das akute rheumatische Fieber eine extrem seltene Erkrankung (Glomerulonephritis noch seltener), sodass neue Leitlinien internationaler Fachgesellschaften keine pauschalen Streptokokkentests für Halsschmerzpatienten vorsehen und die Notwendigkeit einer antibiotische Behandlung von der Schwere der Erkrankung abhängig machen (bestimmte Punkte-Schema sollen den Ärzten bei der Entscheidung helfen, beispielsweise ob Fieber vorliegt). Diese vorsichtige Haltung hat z.B. den Weg in die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin ( DEGAM Leitlinien Halsschmerzen ) gefunden, auch in anderen europäischen Länder wird von den Experten die Antibiotika-Verordnung kritisch hinterfragt ( Management of sore throat and indications for tonsillectomy (Scottish Intercollegiate Guidelines Network ) ).

Aktuelles Schema der DEGAM: normalerweise kein Test, keine Antibiotika. Nur wenn so viele klinische Anzeichen (z.B. Eiterabsonderung Mandeln, Fieber) vorliegen, das der Punktewerte eine Streptokokkenbeteiligung wahrscheinlich macht und die Schwere der Erkrankung ein Eingreifen rechtfertigt, gibt man Penicillin V für 7 Tage. Tests nur in Ausnahmefällen, wenn durch das Ergebnis die Behandlungsentscheidung beeinflusst wird.

"Ich hatte schon seit Monaten immer wieder Halsschmerzen,und ein Abstrich beim HNO-Arzt hat vor kurzem Streptokokken TypA nachgewiesen."
Abstriche sind mittlerweile recht umstritten, gemäss den Leitlinien hält man sich bei einer schweren Erkrankung ohnehin nicht mit einem Abstrich auf, bei leichten Fällen hat der Test dagegen wenig Aussagekraft, weil sich die Erreger auch bei vielen Gesunden im Rachen finden lassen (siehe auch unser Themenblock Streptokokken dauerhaft? ) und in den meisten Fällen nicht Bakterien wie Streptokokken, sondern Viren hinter Halsschmerzen stecken, ein Bakteriennachweis also oft nur ein zufälliger Begleitbefund ist.

Man kann nachträglich nicht sagen, ob Ihre Halsschmerzepisoden in der Vergangenheit durch Streptokokken ausgelöst wurde.

"verschrieb mir Amoxicillin... Der HNO-Arzt hielt 10 Tage Einnahme für wichtig."
Mittel der Wahl bei einer behandlungsbedürftigen Streptokokkeninfektion ist gemäss den aktuellen Leitlinien Penicillin V. Oft werden 7 Tage als ausreichend angesehen, wenn eine Streptokokken-Pharyngitis wiederholt auftritt, kann auf 10 Tage verlängert werden und dann wären auch Mittel mit Amoxicillin / Clavulansäure möglich. Allerdings wird kritisiert, dass Amoxicillin / Clavulansäure ein unnötig breites Wirkungsspektrum haben ( Antibiotische Behandlung der Streptokokkenangina (a-t 2006; 37: 25-27) ), d.h. es können auch nützliche Bakterien beseitigt werden, sonstige Erreger können die Chance zur Ausbreitung nutzen und man kann langfristig Resistenzen begünstigen.

"Hausarzt der Meinung,dass 7 Tage reichen und meinte dass das auch die gängige Empfehlung wäre."
korrekt. Ausser, es gibt klare Belege für wiederholte Streptokokken-Erkrankungen, das ein Patient mehrfach über Halsschmerzen klagte, ist aber nicht mit einem Beleg gleichzusetzen.

"Ich habe das Antibiotikum 10 Tage lang genommen"
kann man so machen, der Nutzen ist zwar nicht sicher, normalerweise ist aber auch kein schädlicher Effekt zu erwarten.

"wobei eine Einnahme fehlte (1000mg).Ist das ein Problem für Resistenzen,Spätfolgen,usw?"
nein, da Ihre Schilderung ohnehin nicht zu einem Fall mit einem Bedarf für das verlängerte Behandlungsschema passt, spielen derartige Einnahmeabweichungen normalerweise keine Rolle. Resistenzen entwickeln sich nicht in der Einzelperson, sondern über lange Zeit (viele Jahre bzw. Jahrzehnte) in der Bevölkerung, wenn sehr häufig Antibiotika verordnet werden.

Haben wir Ihnen geholfen? Dann empfehlen Sie uns bitte weiter:
  • twitter
  • facebook
  • facebook

Beste Grüsse und Alles Gute, halten Sie uns auf dem Laufenden

Ihr Cyberdoktor-Team

Antwort schreiben

Re: Antibiotikaeinnahme bei Streptokokken (Abstrich positiv und Halsschmerzen)

von Unbekannt , 24.03.14 18:49
Ich möchte mich sehr herzlich bei Ihnen bedanken für die ausführliche und kompetente AntwortEs ist so schön und erleichternd,dass es so eine Seite wie Ihre gibt. Viele Grüße

Antwort schreiben