Liebe Lise,
"ich vermute, dass bei einer an mir vorgenommenen Operation gepfuscht wurde, wie kann ich nun vorgehen?"Wenn wirklich ein Fehler im Sinne von Pfusch vorliegt, sind Ihre Rechte gut geschützt. Vorab muss man aber sagen, dass es keinen Rechtsanspruch auf einen ärztlichen Behandlungserfolg gibt, d.h. wenn der Arzt korrekt vorgegeangen ist, aber einfach in seinen Bemühungen erfolglos blieb, können Sie ihn dafür nicht haftbar machen.
Grundlage des Arzt-Patientenverhältnisses ist der Behandlungsvertrag. In diesem Rahmen ist der Arzt nach den Paragrafen 823, 611, 278 BGB für aus der Behandlung resultierende Schäden haftbar.
Grundsätzlich ist es Aufgabe des Arztes, seine Patienten nach den anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaft, auf dem Boden des aktuell gültigen medizinischen Standards zu behandeln. Einem Behandlungsfehler geht ein Verstoß gegen diese Regeln voraus. Festgelegt sind die Grundsätze des ärztlichen Handelns u.a. in den Berufsordnungen der einzelnen Bundesländer.
Beispielhaft als Behandlungsfehler können gelten:
- Eine nicht ausreichende, bzw. zu späte Patientenaufklärung
- Fehlende Patienteneinwilligung
- Falsche Therapiewahl (ausserhalb der medizinischen Standards)
- Diagnosefehler (Nichterkennen einer offensichtlichen Behandlungsnotwendigkeit)
- Verwechslung oder Überdosierung von Therapeutika (z.B. Medikamente, Strahlentherapie)
- Falsche Applikation vom Medikamenten (z.B. versehentliche arterielle Injektion)
- Im Rahmen von operativen Eingriffen zurückgebliebene Fremdkörper
- Durch Seitenverwechslung bedingte Fehloperationen
Um Ansprüche angesichts eines ärztlichen Behandlungsfehlers geltend machen zu können, muss zwischen Patient und Arzt ein Behandlungsvertrag zustande gekommen sein. Außerdem muss dem Anspruchsteller ein gesundheitlicher und/oder materieller Schaden entstanden sein, der wiederum auf den vom Arzt verschuldeten Behandlungsfehler zurückzuführen sein muss.
Im Falle eines von Seiten des Patienten vermuteten ärztlichen Behandlungsfehlers , sollte zunächst ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt gesucht werden, um mögliche Missverständnisse beseitigen zu können. Sollte ein Gespräch keine Klärung erbringen, erscheinen, unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass nach geltender Rechtsprechung im allgemeinen der Patient den Nachweis eines ärztlichen Behandlungsfehlers erbringen muss, die folgenden Maßnahmen ratsam:
- Den Behandlungsablauf schriftlich fixieren.
- Aufzeichnung von Namen und Adressen aller beteiligten Personen (Ärzte, Zeugen, Therapeuten).
- Patientenakte inklusive Patientenkurve, Einverständniserklärungen, Laborwerte etc. einsehen und kopieren. In diesem Rahmen zu empfehlen ist eine Bescheinigung des Verantwortlichen (Arzt/Krankenhausverwaltung) über die Vollsständigkeit der vorgelegten Unterlagen.
- Alle Rechnungen und Belege über selbst finanzierte Gesundheitsmaßnahmen aufbewahren. Anlaufstellen
Die Ärztekammern haben zur Klärung patientenseitig vermuteter Behandlungsfehler Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen eingerichtet. 1998 wurden an diese über 9 000 Anträge gerichtet. In vielen Fällen können durch die Schlichtungstellen anhängige Streitverfahren beendet werden.
Hier die Links der jeweiligen Landesärztekammern:
Landesärztekammer Baden-WürttembergBayerische LandesärztekammerÄrztekammer BerlinLandesärztekammer BrandenburgÄrztekammer BremenÄrztekammer HamburgLandesärztekammer HessenÄrztekammer Mecklenburg-VorpommernÄrztekammer NiedersachsenLandesärztekammer Rheinland-PfalzÄrztekammer des SaarlandesSächsische LandesärztekammerÄrztekammer des SaarlandesSächsische LandesärztekammerÄrztekammer Sachsen-AnhaltÄrztekammer Schleswig-HolsteinLandesärztekammer ThüringenÄrztekammer Westfalen-LippeBei der überwiegenden Anzahl der Schlichtungsverfahren sind die operativen Fächer betroffen. Im Bereich der nichtoperativen Fächer werden am häufigsten Injektionen, invasive Diagnostik- und Interventionsmaßnahmen (z.B. Ballondilatation von verengten Herzkranzarterien) aber auch die nichtinvasive Diagnostik kritisiert. In etwa einem Drittel der Schlichtungsverfahren werden die Ansprüche der Patientenseite als begründet gesehen. Dies bedeutet, dass von der Schlichtungsstelle schuldhafte/vermeidbare ärztliche Fehler festgestellt werden, die als Ursache von Körperschäden anzusehen sind.
In diesen Fällen wird der Versicherung des verantwortlichen Arztes angeraten, den entstandenen Schaden, soweit dies möglich ist, finanziell zu regulieren. Die von den Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen getroffenen Entscheidungen werden in nahezu allen Fällen von den zuständigen Versicherungen der Ärzte und Krankenhäuser anerkannt, ein Rechtsstreit wird hierdurch vermieden. Anzahl und Schweregrad der in den zurückliegenden Verfahren anerkannten ärztlichen, bzw. durch medizinisches Personal entstandenen Schäden sind nicht unerheblich.
Ein Prüfverfahren vor der Schlichtungsstelle ist für den Antragsteller kostenfrei. Von der Schlichtungsstelle werden - für den Antragsteller ebenfalls kostenfrei - erforderliche Gutachten eingeholt. Die Krankenkassen sind bei den Gutachter- und Schlichtungsstellen nicht antragsberechtigt. Daher muss ein entprechender Antrag vom Betroffenen, oder einer von ihm bevollmächtigten Person, an die Gutachter- und Schlichtungsstellen der zuständigen Ärztekammer gerichtet werden. Das Recht auf die Einleitung einer Schadenersatzklage wird durch die Inanspruchnahme einer Schlichtungsstelle nicht berührt. Dies bedeutet, dass auch im Falle eines abschlägigen Bescheides seitens der Schlichtungsstelle weiterhin der Klageweg beschritten werden kann. Die in einem solchen Fall entstehenden Anwalts- und Gerichtskosten werden in den meisten Fällen von einer Rechtsschutzversicherung getragen.
Bei einem Verdacht auf schwerwiegende Behandlungsfehler besteht die Möglichkeit bei der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige zu erstatten. Von Seite des Staatsanwaltes geprüft wird eine strafrechtliche Verantwortung des beklagten Arztes / der beklagten Einrichtung. Notwendige Ermittlungen, ggf. die Beauftragung von weiteren Gutachten werden von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingeleitet.
Bedacht werden sollte im Falle der beabsichtigten Einleitung einer Strafanzeige, dass diese eine Verschärfung des Konfliktes mit zu erwartender Konsequenz eines länger währenden Verfahrens und damit einer möglicherweise verzögerten Schadensregulierung beinhaltet.
Materielle Schadensersatzansprüche aus Behandlungsfehlern (z.B. Verdienstausfall) verjähren nach § 195 BGB mit Ablauf von 30 Jahren. Sogenannte immaterielle Ansprüche (z.B. Schmerzensgeld) verjähren nach § 825 BGB mit Ablauf von 3 Jahren. Zu beachten ist, dass die Verjährungsfrist im Hinblick auf die immateriellen Schadensersatzansprüche erst, wenn der Behandlungsfehler und sein Verursacher dem Geschädigten bekannt wurde, beginnt.
Die Wahl des richtigen Vorgehens im Falle eines vermuteten Behandlungsfehlers ist gut zu überlegen. Empfehlenswert ist eine vorangehende Beratung durch einen Mitarbeiter der zuständigen Krankenkasse, gegebenenfalls auch eine Rechtsberatung. Diesbezüglich besteht das Angebot einzelner Krankenkassen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vor einer Einleitung weiterer Schritte zunächst ein kostenfreies medizinisches Gutachten erstellen zu lassen. Vorausgesetzt wird allerdings, dass dem MDK die erforderlichen ärztlichen Dokumentationen vorgelegt werden können.
Bei einer patientenseitig bestehenden Unzufriedenheit mit der ärztlichen / medizinischen, bzw. der Krankenhausbetreuung, ohne direkte Vermutung eines Behandlungsfehlers, besteht die Möglichkeit einer Information der zuständigen Ärztekammer, des Krankenhausträgers und der Krankenkasse. Das verantwortliche, bzw. das den Unmut des Patienten erregende Personal wird dann zu einer Stellungnahme aufgefordert. Dieser Weg ist keinesfalls Ausdruck einer gegen die Ärzteschaft oder Pflegepersonal gerichteten Opposition. Dieses arbeitet insbesondere in den Krankenhauseinrichtungen, bedingt durch Personalmangel und häufiger Mißachtung geltenden Rechts durch die Krankenhausträger, oftmals an der Grenze der Leistungsfähigkeit. Die Einhaltung bestehender gesetzlicher Vorgaben zur Arbeitszeit (Arbeitszeitgesetz) findet weder bei Krankenhausträgern, noch bei den zuständigen Kontrollinstanzen wesentlichen Rückhalt. Eine Veröffentlichung offensichtlicher Mißstände steht daher auch in gegenseitigem Interesse.
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