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Allgemeinmedizin

Endokrine Myositis

von Uwe , 15.09.00 19:40
Mein Bruder leidet an akuter "Endokrine Myositis"
Die behandelnden Ärzte finden z.Zt.keine
möglichkeit dieses Problem zu behandeln. Wo und wie können wir uns eingehender
über diese Krankheit informieren?
Sind evtl.im Ausland diese Symptome schon
mal behandelt worden?
Meinem Bruder geht es immer schlechte. Zur Zeit wird er mit Cortison behandelt,
um die Schmerzen im erträglichem Rahmen zu
halten.Es kann aber keine Lösung auf Dauer sein,da er unseres erachtens schon abhängig
geworden ist. Seiner Arbeit kann er seit 2 Jahren nicht mehr nachgehen und die Krankenkasse hat die Zahlung auch schon eingestellt. Leider ist nun auch der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erschöpft. Wo,wie,wann und was kann man jetzt noch machen?
Zur Zeit giebt es aus diesem Teufelskreis keinen Ausweg,weil er auch nirgens als
pädagogischer Erzieher eingestellt wird. Können Sie uns weitehelfen?

Für Ihre Bemühungen danken wir im voraus und verbleiben
mit freundlichen Grüßen.

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Re: Augenheilkunde

von Cyberdoktor , 17.09.00 22:58
Lieber Uwe,

Ihre Frage ist nur zurückhaltend zu beantworten, da einige wichtige Angaben zur Erkrankung nicht bzw. nur ungenau zu entnehmen sind. Trotzdem: Bei einer Myositis handelt es sich um eine meist schmerzhafte Entzündung von Muskelgewebe, verursacht durch Verletzungen, Infektionen, häufig durch eine Erkrankung des Immunsystems (Autoimmunerkrankung - körpereigene Abwehrzellen richten sich gegen Körpergewebe), selten durch hormonelle (endokrine) Ursachen, oder als Folge einer Medikamentennebenwirkung.

Ihrer Überschrift zu entnehmen ist, dass es sich im Fall Ihres Bruders um die Sonderform einer isolierten auf die Augenmuskulatur beschränkten Muskelentzündung (okuläre Myositis) handelt.

Häufigstes Beschwerdeymptom sind bewegungsabhängige hinter dem Augapfel gelegene Schmerzen und Auftreten von Doppelbildern. Selten tritt eine Schwellung der Augenlider und Vorwölbung des Augapfels hinzu. Die Sehschärfe ist in der Regel nicht betroffen. Dem hingegen wird eine beidseitige
Augenmuskelbeteiligung häufiger beobachtet. Häufiger als Männer sind Frauen betroffen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen dem dritten und vierten Lebensjahrzehnt. Die Diagnosestellung erfolgt, neben der klinischen Untersuchung, in der Regel mittels Kernspintomographie.

Therapie der Wahl ist, wie bei Ihrem Bruder durchgeführt, die Behandlung mit Cortison. Hierunter kommt es meist innerhalb von kurzer Zeit zur Abheilung. Bei zu kurzer Therapiedauer, bzw. nicht ausreichender Cortisondosierung sind Rückfälle möglich. Eine Therapie mit Cortison ist wegen der entzündungshemmenden Wirkung unerlässlich! Cortison verursacht keine Abhängigkeiten, es ist ein körpereigenes Hormon (Cortisol). Im Falle einer Reduzierung vorübergehend hoher Cortisondosierungen, muss eine ausschleichende (stufenweise) Dosisreduktion erfolgen, um eine Wiederaufnahme der körpereigenen Cortisolproduktion in der Nebennierenrinde zu ermöglichen und eine akute Verschlimmerung der Muskelentzündung zu verhindern.

Die Krankheitsbezeichnung "endokrine Myositis" weist zunächst auf einen hormonellen Krankheitsauslöser hin. Dessen Therapie besteht in erster Linie in der Behandlung der hormonellen Störung. Häufig sind diese Störungen auch Folgen einer Autoimmunkrankheit, diese werden wiederum mit Cortisongaben therapiert. Hormonelle Störungen können z.B. in der Schilddrüse, Nebenniere, Bauchspeicheldrüse, oder Hypophyse auftreten. Abgegrenzt werden muss die endokrine Myositis von der "endokrinen Orbitopathie". Hierbei handelt es sich um eine ebenfalls durch das Immunsystem ausgelöste Entzündungsreaktion im Bereich der Augenhöhle, nicht "nur" des Augenmuskels. Die Beschwerdesymptomatik besteht in einer meist einseitigen Vorwölbung des Augapfels, Auftreten von Doppelbildern, Schwellung im Bereich der Augenhöhle. Zum Auftreten der Beschwerden kommt es 6 bis 12 Monate vor oder nach einer Schilddrüsenüberfunktion. Neben einer Einstellung der Schilddrüsenhormonwerte wird auch in diesem Fall mit Cortison therapiert.

Nochmals betont werden muss, dass Cortison wegen seiner entzündungshemmenden Wirkung zur Therapie der Myositiden eingesetzt wird. Über eine Rückbildung der Muskelentzündung wird auch eine Schmerzreduktion bewirkt. Cortison wird allerdings nicht primär zur Schmerztherapie eingesetzt. Zum Zwecke der Schmerztherapie ist eine gezielte medikamentöse Intervention, z.B. unter Einschaltung eines Schmerztherapeuten, anzuraten.

Ihren Angaben zu entnehmen ist ein bei Ihrem Bruder vorliegender längerfristiger (>2 Jahre) Krankheitsverlauf. Vorausgesetzt alle differentialdiagnostisch zu erwägenden Erkrankungen wurden ausgeschlossen (insbesondere aus dem rheumatologischen Formenkreis), ist zunächst die Cortisondosierung zu überprüfen. In diesem Sinne ist auch die Frage nach der Patientencompliance zu stellen: hat Ihr Bruder regelmässig und durchgängig die empfohlene Cortisonmedikation eingenommen?

Im Falle einer Therapieresistenz gegenüber Cortison hilft oftmals eine niedrigdosierte Bestrahlungstherapie. Bei bestimmten auf Cortison unzureichend ansprechenden Myositisformen zeigt sich eine ergänzende immunsupressive Therapie, ggfs. auch eine Gabe von Immunglobulinen, erfolgreich. In Einzelfällen diskutiert wird auch ein Blutplasmaaustausch.

Sie sehen, dass eine Beurteilung der bei Ihrem Bruder vorliegenden Erkrankung sehr komplex erscheint. Sie erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit u.a. von Augenärzten, Rheumatologen, Immuno- und Endokrinologen, sowie Schmerztherapeuten.

Beim zweiten Teil Ihrer Frage stossen wir an grundlegende Elemente der Gesellschaftspolitik. Bei langfristigen Erkrankungen kommt es nicht selten zum Arbeitsplatzverlust und Aussteuerung durch die Krankenkasse. Letztlich bleibt als Ansprechpartner das Arbeits- und Sozialamt. Ihren Angaben ist leider nicht zu entnehmen warum Ihr Bruder über einen so langen Zeitraum nicht arbeiten konnte. Hilfreich ist eine frühzeitige arbeitsmedizinische Begleitung durch den während des Arbeitsverhältnisses zuständigen Betriebsarzt. Dieser kann einen adäquaten Arbeitseinsatz, bzw. die Durchführung einer Wiedereingliederungsmassnahme veranlassen. Diese Möglichkeit ist nach Verlust des Arbeitsplatzes nicht mehr gegeben.

Als Ansprechpartner für Ihren Bruder stehen in erster Linie die behandelnden Ärzte, Selbsthilfegruppen sowie Berater im zuständigen Arbeits- und Sozialamt zur Verfügung. Zur weiteren Information empfehlenswert sind u.a. die folgenden Webadressen:


Informationen der Deutschen Gesellschaft für
Muskelkranke (DGM)


Informationen für
Myositiskranke und Kontakt mit Betroffenen



Mit freundlichen Grüssen,
Ihr Cyberdoktorteam

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