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Reisemedizin

Reiseübelkeit

von Jani07 , 27.09.08 13:41
seit meinem 4. Lebensjahr leide ich unter Reiseübelkeit. Und ... dies schränkt mein Leben gewaltig ein. Selbstverständlich habe ich im Abstand mehrerer Jahre auch immer wieder neue Versuche als Beifahrer im Auto oder auch mit dem Schiff gewagt - Übelkeit und Erbrechen sowie Kreislaufzusammenbrüche, wenn die Fahrt dennoch nicht abgebrochen wurde, kamen immer wieder.
Ingwerpräparate zeigen keine Wirkung, Dimenhydrinat in der frei verkäuflichen Dosis ebenfalls nur leicht wirksam. Mein behandelnder Arzt sagt, dass es sich lediglich um eingebildete Symptome handelt. Der zu Rate gezogene Psychotherapeut verneint es und spricht von einer Kinetose.
Fakt ist, dass die Symptome da sind und ... ich suche Hilfe, um sie in den Griff zu bekommen und nicht dauerhaft so sehr behindert zu sein. Herzlichen Dank, Jani

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Re: Reiseübelkeit

von Cyberdoktor , 27.09.08 15:54
Hallo,

"seit meinem 4. Lebensjahr leide ich unter Reiseübelkeit. Und ... dies schränkt mein Leben gewaltig ein. "
Reiseübelkeit kann in der Tat ein sehr belastendes Problem sein. Betroffen sind meist Kinder und ältere Menschen.

Die Ursache für eine Reisekrankheit (Kinetose) liegt in widersprüchlichen Signalen aus diversen Wahrnehmungssytemen bei der Nutzung von Forbewegungsmitteln. Die gelieferten Sinneseindrücke von Augen (z.B. rasend schnelle Landschaftsbewegung bei Blick aus dem Seitenfenster eines fahrenden Autos, im schlimmsten Fall, wenn man im Zug mit dem Rücken zum Fahrer sitzt, sogar entgegen der Blickrichtung), Nerven im Bewegungsapparat (z.B. sitzende Position, entspannte und inaktive Muskeln), Gleichgewichtsorgan (z.B. ständige vom dem in Ruhestellung befindlichen eigenen Körper unabhängige Brems-, Beschleunigungs- und Rollbewegungen) sind vom Gehirn nicht mehr wie gewohnt durch sonst völlig unbewusste ablaufende Berechnungen sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Die Symptome der Reisekrankheit sind dann ein Ausdruck dieser Überlastung bei der Signalverarbeitung.

"Selbstverständlich habe ich im Abstand mehrerer Jahre auch immer wieder neue Versuche als Beifahrer im Auto oder auch mit dem Schiff gewagt"
können Sie denn Bus oder Bahn fahren, bzw. ein Flugzeug nutzen? Meist ist man bei Reisen mit Kleinwagen oder kleinen Booten besonders anfällig.

"Ingwerpräparate zeigen keine Wirkung"
das ist in schweren Fällen auch nicht zu erwarten.

" Dimenhydrinat in der frei verkäuflichen Dosis ebenfalls nur leicht wirksam."
die Einahme von Übelkeit bekämpfenden Präparaten, beispielsweise Dimenhydrinat-Dragees, ist sinnvoll, was meinen Sie denn mit "leicht" wirksam? Kommt es trotzdem zu Erbrechen?

Es können weitere Medikamente wie Scopolamin oder milde Beruhigungsmittel getestet werden.

"Mein behandelnder Arzt sagt, dass es sich lediglich um eingebildete Symptome handelt."
denkbar ist auch eine Kombination, d.h. eine Reiseübelkeit führt zu Ängsten, einer Ausschüttung von Stresshormonen und dann zu weiteren Symptomen. Auch kann sich nach über Jahre andauernden negativen Reiseerlebnissen eine Erwartungshaltung aufbauen, d.h. die Angst begünstigt das Auftreten der Reisekrankheitssymptome. Normalerweise lassen die Symptome nach der Kindheit nach.

" Der zu Rate gezogene Psychotherapeut verneint es und spricht von einer Kinetose."
prima, dass Sie auch an die Konsultation eines Psychotherapeuten gedacht haben, warum verneint dieser so kategorisch eine psychische Komponente? Das wundert uns etwas. "Kinetose" ist nur wieder ein anderer Begriff für Reisekrankheit, die haben Sie ja wohl auf jeden Fall, unabhängig davon, ob auch psychische Faktoren eine auslösende oder verstärkende Rolle spielen. Das sich bei einer seit dem Kleinkindalter anhaltenden Erkrankung keine verstärkenden Ängste aufgebaut haben, ist sehr unwahrscheinlich. Bei der Reisekrankheit werden Stresshormone ausgeschüttet, wenn Sie Angst haben auch, ein Zusammenspiel aus negativen Erwartungen und den unangenehmen Sinneseindrücken ist durchaus wahrscheinlich.

Helfen auch die anderen angesprochenen Medikamente und sonstige Massnahmen nicht, würden wir daher durchaus auch die psychische Komponente im Blick behalten und einen weiteren Psychotherapeuten befragen.

Entspannungsübungen können helfen, zu nennen sind mit Atemübungen, autogenes Training oder die progressive Muskelentspannung. Mehr oder weniger jeder Reisekranke mit stärkeren Symptomen dürfte sich auch aufgeregt bzw. ängstlich fühlen, alles was entspannt, ist daher sinvoll, das sollte aber auch der Psychotherapeut wissen.

Hier noch einige allgemeine Regeln:

Vor einer kurzen Reise besser nicht essen. Bei längeren Trips nur leichte Mahlzeiten. Während der Reise können Kaubewegungen helfen (Kaugummi). Kein Alkohol, kein Nikotin.

Niemals lesen, wenn aus den von den Augen gelieferten Informationen auch noch die unkontrollierbaren Fremdbewegungen herausgerechnet werden müssen, bürden Sie dem Gehirn noch mehr Arbeit auf.

Man sollte daher auch niemals die Augen auf sonstige Objekte im Fahrzeug fixieren, es ist für das Gehirn schwierig, das Bild ständig bei überraschenden Wacklern zu stabilisieren. Nie den Kopf gebeugt oder zur Seite gedreht halten.
Einigen Patienten hilft es, sich zurückzulehnen und einen Punkt in der Ferne zu fixieren (Horizont). Nie länger aus Seitenfenstern schauen.

Das Fahrzeug sollte bestens belüftet sein, keine Gerüche, auf keine Fall rauchen.

Körperliche Beschäftigung (Ablenkung) kann helfen. Bei Kindern z.B. Suchspiele, die es erlauben aus dem Vorderfenster zu schauen (Wer sieht den ersten grünen LKW ), Singspiele, etc.. Musik oder Hörbücher lenken auch Erwachsene ab.

Spezielle Regeln je nach Fortbewegungsmittel:

Auto:
Im Auto sollte der Empfindliche möglichst selbst fahren, der Fahrer eines Autos erkrankt eigentlich nie! Wenn Sie keinen Führerschein haben, wäre es eine Option, Fahrstunden zu nehmen.

Ist das nicht möglich, sollte ein Patient stets vorne sitzen (im Bus ganz vorne, noch vor der Vorderachse) , so dass die Augen die Fahrbahn überblicken können und man von Richtungsänderungen weniger überrascht wird.

Bitte einmal pro Stunde (!) Rast machen.

Abrupte Brems- oder Beschleunigungsmanöver sind zu vermeiden.

Angesichts Ihrer drastischen Beschwerden könnte z.B. für Autofahrten ein systematisches Herantasten an die Belastungsgrenze mit einer langsamen Erhöhung der Fahrtzeiten einen Versuch wert sein, sprich die Belastung (Fahrtdauer) wird nach und nach gesteigert.

Schiffe:
Frische Luft ist ganz wichtig, gehen Sie auf das Deck. Auch hier gilt, den Horizont zu fixieren (nicht die Wellen!). Man sollte sich einen Platz auf der Mittelachse des Schiffes suchen, dort merkt man Rollbewegungen nicht so stark, ebenso in den tiefen Unterdecks. Eine liegende Position mit geschlossenen Augen kann helfen, dann schaltet das Gleichgewichtsorgan auf Sparflamme.
auf einem Segelboot können Arbeiten auf Deck ablenken.

Flugzeuge:
Sitze im über den Flügeln versprechen minimierte Bewegungen. Eine möglichst liegende Position mit geschlossenen Augen kann auch hier helfen. Einigen Menschen hilft es, zwecks Ablenkung und Kreislaufanregung im Flugzeug auf und ab zu gehen.

Bahn:
nie gegen die Fahrtrichtung sitzen, nicht aus dem Fester sehen, in den vorderen Waggons einsteigen.

Beste Grüsse und Alles Gute, halten Sie uns auf dem Laufenden

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Re Reiseübelkeit

von Jani07 , 05.10.08 15:34
Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort... ich versuche alle Ihre Fragen zu beantworten
Am Schlimmsten ist es im Auto. Bus- bzw. Bahnfahrten, die ich mache, sind kurz, daher kann ich den Vergleich bisher nicht heranziehen.
Flugzeug Ich bin noch nie geflogen - aus Angst, dass die Reisekrankheit da ähnlich wie im Auto sein könnte. Auto Was es noch zu ergänzen gibt - es ist nicht in allen Autos gleich ausgeprägt.

Meine Aussage, dass die bisherige Medikation leicht wirksam ist, bedeutet, dass es unter Dimenhydrinat in der Dosierung, wie sie beispielsweise bei Reisekaugummies angegeben ist, nicht zum Erbrechen kommt, die Übelkeit und Kreislaufprobleme bleiben allerdings. Scopolamin habe ich bisher noch nicht getestet, wenn es eine Chance ist, werde ich es allerdings bei nächster Gelegenheit ausprobieren.

Zum psychichen Aspekt
Der Psychotherapeut verneint nicht die verstärkende Wirkung durch Angst. Er widersprach der Aussage des Hausarztes, dass es sich LEDIGLICH um psychotherapeutisch zu behandelnde Symptome handelt. Er ist der Auffassung, dass ich ein wirksames Medikament gegen Reisekrankheit finden muss. Entspannungsübungen usw. hat er mir selbstverständlich mitgegeben und auch Trainings mit mir gemacht - die ihn allerdings dazu veranlassen anzunehmen, dass es sich im Wesentlichen um eine physiologische Reaktion handelt.

Ich habe Ihre Ausführungen zum Hintergrund der Reisekrankheit aufmerksam gelesen - ist denkbar, dass das Gehirn bei Wiederholung lernt, die Sinneseindrücke besser zu verarbeiten? Wäre also häufige Disposition eine denkbare Möglichkeit?

Wäre es sinnvoll die Augen im Fahrzeug geschlossen zu halten oder nach Möglichkeit zu schlafen?

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre bisherigen Tipps
Viele Grüße,
Jani

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Re: Re Reiseübelkeit

von Cyberdoktor , 05.10.08 17:48
Hallo,

" Bus- bzw. Bahnfahrten, die ich mache, sind kurz, daher kann ich den Vergleich bisher nicht heranziehen."
wie gesagt sind in Bus und besonders der Bahn bedingt durch die grössere Stabilität weniger Probleme zu erwarten.

"Flugzeug Ich bin noch nie geflogen - aus Angst, dass die Reisekrankheit da ähnlich wie im Auto sein könnte."
das muss nicht sein, ein ruhiger Flug in einem grossen Flugzeug ist nicht mit einer ruckeligen Autofahrt in einem Kleinwagen zu vergleichen.

"Was es noch zu ergänzen gibt - es ist nicht in allen Autos gleich ausgeprägt."
das ist oft so, in Kleinwagen oder bei schlechter Federung (oder einem ungünstigen Fahrstil!) kann es schlimmer werden.

"Meine Aussage, dass die bisherige Medikation leicht wirksam ist, bedeutet, dass es unter Dimenhydrinat in der Dosierung, wie sie beispielsweise bei Reisekaugummies angegeben ist, nicht zum Erbrechen kommt, die Übelkeit und Kreislaufprobleme bleiben allerdings."
das ist ja auch ein eher mildes Mittel, wenn das aber bereits eine Wirkung hat, dürfte ein verschreibungspflichtiges Medikament noch besser funktionieren.

"Scopolamin habe ich bisher noch nicht getestet, wenn es eine Chance ist, werde ich es allerdings bei nächster Gelegenheit ausprobieren."
das ist mehr als eine Chance, wir wundern uns, dass bei so hartnäckigen Beschwerden das der Arzt noch nicht versucht hat.

"Der Psychotherapeut verneint nicht die verstärkende Wirkung durch Angst. Er widersprach der Aussage des Hausarztes, dass es sich LEDIGLICH um psychotherapeutisch zu behandelnde Symptome handelt. Er ist der Auffassung, dass ich ein wirksames Medikament gegen Reisekrankheit finden muss."
das klingt in dieser Form sehr vernünftig. Eine körperliche Komponente ist sehr wahrscheinlich, zur Entstehung haben wir ja bereits oben Stellung genommen, mit genug Geschaukel oder sonstigen teuflischen Bewegungsreizen kann man die meisten Menschen Reisekrank machen.

"Entspannungsübungen usw. hat er mir selbstverständlich mitgegeben und auch Trainings mit mir gemacht - die ihn allerdings dazu veranlassen anzunehmen, dass es sich im Wesentlichen um eine physiologische Reaktion handelt."
auch das hört sich ganz professionell an.

"Ich habe Ihre Ausführungen zum Hintergrund der Reisekrankheit aufmerksam gelesen - ist denkbar, dass das Gehirn bei Wiederholung lernt, die Sinneseindrücke besser zu verarbeiten?"
ja, das Gehirn bzw. das Gleichgewichtsorgan kann sich an die neuen Reize anpassen, insbesondere wenn diese lange anhalten. Das beste Beispiel ist die Seekrankheit, hier geht es den meisten Betroffenen nach im Verlauf einer längeren Schiffsreise nach und nach besser.

"Wäre also häufige Disposition eine denkbare Möglichkeit? "
wenn Sie der Fahrer sind, dürfte Ihnen ohnehin nicht schlecht werden. Wenn Sie keine andere Wahl haben als Beifahrer zu sein, können Sie mit einem geduldigen Fahrer häufig fahren und dabei langsam Ihre Grenze auslosten, dann wissen Sie zumindest, welche Tricks funktionieren und wann es kritisch wird, evtl. kann man so auch Ängste abbauen.

Bei Seereisen gelingt die körperliche Anpassung an die neuen Sinneseindrücke, es muss aber eine längere Reise sein. Hat sich das Gleichgewichtsorgan nach Reiseende aber wieder an den Land-Modus gewöhnt, führt die nächste Seereise zunächst wieder zu einer Seekrankheit in der Anfangsphase der Reise.

Machen Sie aber dennoch möglichst viele Autofahrten, so lernen Sie besser mit der Situation umzugehen, wenn Sie nur ganz selten fahren, dann ist jede Autofahrt etwas Besonderes und extra stressig.

"Wäre es sinnvoll die Augen im Fahrzeug geschlossen zu halten oder nach Möglichkeit zu schlafen?"
durchaus möglich, beides können Sie versuchen, wir haben ja bereits oben auf den Umstand verwiesen, das geschlossene Augen und eine nach hinten geklappte Lehne helfen können.

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Reiseübelkeit Beifahrer

von Unbekannt , 08.03.10 11:52
Ich hab da mal ne frage ich leide auch unter der Reisekrankheit.... zurzeit werde ich im Revierdienst eingewiesen und ich soll als unterstützung also Beifahrer mit im Revier fahren. Ich arbeite beim Sicherheitsdienst und fahre selber Revier welches kein problem darstellt. Aber jetzt soll ich in einer anderen Stadt Revier fahren und der dienst dauert ca 12 Stunden. 12 Stunden Autofahrt ständig bremsen weiter fahren bremsen usw ist eine tortur für mich. Die Arbeitskollegen finden das lustig und haben sofort meine unlust beim Arbeitgeber gemeldet. Nur weil ich nich alles aufgeschrieben hab und keine lust hatte was verständlich ist.
In Schleswig fahre ich Revier dort habe ich nur 2 Stunden einweisung gebraucht und es war kein problem für mich aber wie soll ich den langen Revierdienst in der anderen Stadt schaffen wenn ich nicht mal die Einweisung schaffe?

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Re: Reiseübelkeit Beifahrer

von Cyberdoktor , 08.03.10 14:06
Hallo,

"Ich arbeite beim Sicherheitsdienst und fahre selber Revier welches kein problem darstellt."
tatsächlich ist es kein Problem, wenn man selbst das Fahrzeug steuert, dann kann sich das Gehirn auf Richtungswechsel einstellen.

"als unterstützung also Beifahrer mit im Revier fahren."
als Beifahrer drohen empfindlichen Patienten die üblichen Reiseübelkeit-Symptome.
Einigen Patienten hilft es, sich zurückzulehnen und den Streckenverlauf zu beobachten. Bei starken Symptomen müssen Sie mit dem Hausarzt reden, ob Ihnen evt. Mittel gegen die Übelkeit oder Entspannungsübungen helfen können.

"Nur weil ich nich alles aufgeschrieben hab"
während der Fahrt zu schreiben, ist äusserst ungünstig, keinesfalls sollte man Dinge im Fahrzeug ansehen.

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