Liebe/r Cyberdoktor-Nutzer/in,
tatsächlich herrschen in der Flugkabine andere Druckverhältnisse, nämlich ein Unterdruck. Bei Langstreckenflügen, also in Höhen zwischen ca. 10 000 m und 13 000 m besteht ein Luftdruck, der in etwa dem in einer Höhe von ca. 2 000 bis 2 500 m entspricht.
Der Unterdruck wird im Flugzeug von gesunden Menschen praktisch eigentlich nicht bemerkt. Wahrgenommen werden lediglich rasche Änderungen der Luftdruckverhältnisse während Start und Landung. Infolge eines erniedrigten Kabinendruckes wird dem menschlichen Organismus im Vergleich zur Erde pro Atemzug weniger Sauerstoff zugeführt. Problematisch ist dies eigentlich nur für Passagiere mit Lungen- und Herzkreislauferkrankungen, oder einer Blutarmut. Bei diesen kann sich ein Sauerstoffmangel bemerkbar machen. Unmittelbare Folge des niedrigen Luftdrucks allerdings ist eine stärkere Wirkung des an Bord genossenen Alkoholes - mit nicht selten unberechenbaren Folgen.
Grundsätzliches Problem ist nicht der Unterdruck, sondern eine von den Passagieren stundenlang eingenommene Zwangshaltung (Sitzen), die einen Rückfluss des Blutes aus den Beinen zum Herzen nicht ausreichend fördert und so zur Gefahr der Bildung von Blutgerinnseln in den Unterschenkelvenen beiträgt. Dies Gefahr besteht insbesondere bei Langstrecken-flügen in der sogenannten Touristenklasse, da die dortige Bewegungs-/Beinfreiheit deutlich eingeschränkt ist - daher auch die Bezeichnung "Economy-class-Syndrome". Blutgerinnsel können aber auch bei Reisenden in der First- und Business-class, ebenso nach langen Bus-, Bahn- oder Autoreisen entstehen.
Thrombose bei arteriosklerotisch veränderter Gefässwand.
Bild: pixeldrive
Neben den beengten Sitzverhältnissen in der Touristenklasse hat die britische Organisation "Gesunde Luftfahrt" nach Messungen erhöhter Schadstoffkonzentrationen an Bord von Passagiermaschinen auch vor Belastungen mit organophosphatischen Chemikalien gewarnt. Betroffen davon sind Flugzeugtypen wie Boeing 737, 747, 767 und Airbusse der Serien A 320 und A 340. Eine empfohlene Vergrößerung der Sitzabstände im Bereich der Touristenklasse wurde von den meisten Fluggesellschaften - trotz bekannter Problematik - ignoriert. Selbst Warnhinweise, bzw. Aufklärungsmaßnahmen der Passagiere zu gesundheitsförderlichem Verhalten während des Fluges, unterblieben in den meisten Fällen. Als logische Konsequenz erscheint damit die Musterklage einer australischen Anwaltskanzlei, vertretend für Thromboseopfer, bzw. deren Angehörigen, zunächst gegen die drei Fluggesellschaften KLM, Qantas und British Airways. Erst unter dem Druck der öffentlichen Diskussion wurden den Passagieren vor Flugbeginn Info-Broschüren ausgehändigt, Filme mit gymnastischen Übungen gezeigt, oder sogar spezielle Übungs-Kissen überreicht.
Die Häufigkeit der Entwicklung von Reisethrombosen ist nicht bekannt. Nach Aussagen von Dr. Günther Kaul (Medizinischer Dienst der Lufthansa München) seien etwa 1000 von 42 Millionen Flugpassagieren von dieser Problematik betroffen. Statistisch trete eine Thrombose bei 0,5 von einer Million Flugpassagiere auf, so der britische Hämatologe Dr. Paul Giangrande aus Oxford auf der Internationalen Reisemedizin-Konferenz in Innsbruck. Nach Meldungen der BBC im Mai diesen Jahres ist das Thromboserisiko bei Langstreckenflügen wesentlich höher einzuschätzen. So leide nach Einschätzung Londoner Wissenschaftler jeder zehnte Passagier an einer Reisethrombose - die Thrombosegefahr sei 40-fach größer als bisher angenommen. Das Risiko daran zu versterben ist allerdings niedriger einzustufen. Nicht selten verlaufen Thrombosen symptomlos. Erst wenn losgelöste Blutgerinnsel die Lunge erreichen, können sie dort zu tödlichen Folgen führen. Dies führt zu einem Statistikproblem - solche Lungenembolien können sich auch noch fünf Tage nach Absolvierung eines Fluges entwickeln, statistisch bleiben sie damit u.U. unentdeckt.
Gefährdet eine Reisethrombose zu entwickeln sind insbesondere Raucher, Schwangere, übergewichtige Personen, hormonsubstituierte Frauen ("Pille", Östrogenpräparate in/nach den Wechseljahren), Patienten mit Venenerkrankungen, mit Tumorerkrankungen oder Zustand nach Operationen (v.a. im Bereich der Beine). Insbesondere bei vorbekanntem persönlichem Risiko eignen sich Kompressions-strümpfe zur Verhütung einer Reisethrombose. Mittlerweile gibt es auch Reisekniestrümpfe für Venengesunde - nach dem Ergebnis einer Studie des Londoner Gefäßchirurgen Dr. John Scurr mit 231 Flugreisenden über 50 Jahre, seien die Strümpfe geeignet Thrombosen zu verhindern. (The Lancet 357, 2001, 1461). Kniestrümpfe seien in diesem Falle ausreichend, so Dr. Paul Giangrande, da Beinvenenthrombosen meist im Unterschenkel entstehen. Bei Risikopatienten, die z.B. bereits an einer Thrombose erkrankt waren, ist eine weitergehende medikamentöse Vorsorge mit sog. niedermolekularen Heparinpräparaten anzuraten. Acetylsalicylsäurepräparate (ASS/Aspirin/u.a.) sind hierzu keinesfalls geeignet.
Dem Thromboserisiko versuchen Sie richtigerweise durch eine Betätigung der Wadenmuskelpumpe, d.h. Bewegung, und ausreichende Fließeigenschaften des Blutes (Flüssigkeitsaufnahme - allerdings kein Alkohol, Tee oder Kaffee, da entwässernde Wirkung) entgegenzuwirken. Perfekterweise wählen Sie einen Sitz am Gang der Ihnen jederzeit Gelegenheit zur Bewegung bietet.
Weiterhin sinnvoll sind zur Verhinderung der Reisethrombose ausserdem bequeme, lockere Kleidung und das Vermeiden von übereinandergeschlagenen Beinen.
Bei Einhalten der beschriebenen Vorsorgemaßnahmen - wegen deren thrombosefördernden Wirkung sollten Sie auch auf die Pille (orale Kontrazeption) verzichten - haben Sie das Risiko während einer Flugreise eine Thrombose zu erleiden sehr stark minimiert.
Weiterhin guten Flug wünscht
Ihr Cyberdoktor-Team
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