Alte
Krankheit - neue Gefahr?
Pocken
Bei
den Pocken (syn. Variola, Blattern) handelt es sich um eine durch
Viren übertragene, höchst ansteckende und lebensbedrohliche Infektionskrankheit.
Unterschieden werden zwei Varianten: die "weißen Pocken" (syn.
Variola minor) und die "echten Pocken" (syn. Variola vera, Variola
major). Beide gehen mit einem für die Pockenerkrankung typischem
Hautausschlag einher.
Die
weißen Pocken bedeuten für den Menschen - trotz einer Sterblichkeitsrate
von bis zu fünf Prozent - eine geringere Gefahr. Eine abgelaufene
Variola minor Infektion schützt nicht vor einer echten Pocken-Infektion.
Pockenviren
gehören zum Stamm der Poxviridae. Die echten Pocken werden durch
den DNA-haltigen Erreger Orthopoxvirus variola (weiße Pocken:
Orthopoxvirus alastrim) ausgelöst. Die Pockenerreger werden von
einer verhältnismäßig widerstandsfähigen Eiweißhülle umgeben.
Je nach Virusstamm können die Erreger bei stabilen 20°C über Jahrzehnte,
bei Raumtemperatur über Monate ihre Infektiösität bewahren.
Übertragung
Die
Übertragung der Pockenviren erfolgt im wesentlichen über eine
sog. Tröpfcheninfektion. Dies bedeutet, dass die Viren über winzige
Sekrettröpfchen, z.B. beim Sprechen, Niesen oder Husten in der
Luft verteilt und von dort eingeatmet werden. Zudem besteht ebenfalls
die Möglichkeit einer Schmierinfektion über mit Pockenviren kontaminierte
Gegenstände, z.B. Kleidung, Geld oder Türklinken.
Krankheitsverlauf
Infizierte
Personen erkranken innerhalb von 7 bis 19 Tagen. Zunächst beginnt
die Erkrankung mit allgemeinen Beschwerden, wie z.B. Fieber, Kreuz-
und Gliederschmerzen, einhergehend mit einer Entzündung der Atemwege,
von zwei bis vier Tagen Dauer. Zu diesem Zeitpunkt tritt ein vorübergehender
Hautausschlag auf. Nach einer vorübergehenden Beschwerdebesserung
mit Fiebersenkung erscheinen die charakteristischen Hautveränderungen.
Diese erscheinen in einer bestimmten Reihenfolge: Flecken - Knoten
- Blasen - Pustel - Kruste. Nach Hautrötungen entwickeln sich
aus Hautknötchen mit Eiter gefüllten Bläschen (Pusteln), die anschließend
unter Krustenbildung eintrocknen. Als Folge können Pocken-Narben
zurückbleiben.
Typischerweise
erscheinen die Hautveränderungen (Hauteffloreszenzen) zunächst
im Bereich des Kopfes, von wo aus sie sich auf den gesamten Körper
ausbreiten. Die Achselhöhlen und die Innenseiten der Oberschenkel
bleiben frei. Die Hauterscheinungen werden von einem hohen treppenförmig
ansteigendem Fieber mit Verwirrtheitsphasen bis hin zu Wahnvorstellungen
begleitet. 30 - 40% der erkrankten Menschen versterben.
Eine
infizierte Person kann andere Menschen anstecken, wenn sich Schleimhautveränderungen
der Atemwege entwickeln. Diese sind meist mit Fieber verbunden.
Die Schleimhautschäden sind Vorraussetzung für die Übertragung
der Viren über den Weg der Tröpfcheninfektion. Eine solche Ansteckung
durch erkrankte Menschen ist bis zu fünf Tage (meist zwei bis
drei Tage) vor dem Auftreten der typischen Hautveränderungen möglich.
Die höchste Infektiösität besteht in der ersten Woche nach Krankheitsbeginn.
Sie endet nach dem Abfallen der letzten Krusten.
Komplikationen
Besonders
gefürchtet sind die "schwarzen Blattern" (syn. Variola haemorrhogica).
Hierunter wird eine besonders schwere Verlaufsform der Pocken
mit verkürzter Inkubationszeit verstanden. Die erkrankten Personen
versterben häufig schon innerhalb von 48 Stunden an schweren inneren
Blutungen begleitet von Blutungen der Haut und der Schleimhäute.
Diagnose
Diagnostiziert
wird die Erkrankung vor allem an der klinischen Symptomatik. Unter
dem Elektronenmikroskop können die Pockenviren durch Untersuchung
virushaltigen Materials (z.B. aus Bläschen und Pusteln) nachgewiesen
werden. Laborchemisch gelingt ein Nachweis der Viren über Antikörpernachweise.
Therapie
Eine
Möglichkeit zur grundlegenden Behandlung der Pockenvirusinfektion
besteht nicht. Gelindert werden können die auftretenden Krankheitssymptome,
z.B. durch fiebersenkende und juckreizstillende Maßnahmen und
eine angepasste Nahrungszufuhr. Erkrankte Personen müssen ebenso
wie das betreuende medizinische Personal und etwaige Kontaktpersonen
isoliert werden. Wohnräume, Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände
der Erkrankten werden desinfiziert, um eine weitere Ausbreitung
der Erkrankung zu verhindern.
Prophylaxe
Eine
Pockeninfektion kann nur durch eine Schutzimpfung erzielt werden.
Auf Anraten der Welt-Gesundheits-Organisation wurde die Pockenschutzimpfung
1967 weltweit angewandt. 1977 wurde weltweit der letzte Pockenfall
in Somalia dokumentiert. In Deutschland trat der letzte Pockenfall
im Jahr 1972 auf. Die Pockenschutzimpfung wurde in Deutschland
1975 und weltweit 1980 ausgesetzt.
Impfung
Schon
im China des 10. Jahrhunderts war bekannt, dass das Einbringen
von Sekret aus den Bläschen von Pockenkranken auf die Nasenschleimhaut
oder in die Haut gesunder Menschen den Verlauf einer Pockenerkrankung
abschwächen kann. Diese als Variolisation bezeichnete Schutzimpfung
wurde im Jahr 1674 auch in Europa eingeführt. Eine sichere Form
der Pockenschutzimpfung wurde 1796 mit einem aus Kuhpockenblasen
gewonnenem Impfserum in England entwickelt. Diese wurde im Jahr
1874 im damaligen Deutschen Reich zur Pflichtimpfung.
Auch
heute werden für die Impfung in der Wirkung abgeschwächte Pockenviren
(Vaccinavirus) verwendet. Die Herkunft des Impfvirus ist nicht
eindeutig geklärt. Das verwendete Virus ist in seiner, krankheitsauslösenden
Wirkung stark eingeschränkt. In Folge der Pockenschutzimpfung
bildet sich an der Impfstelle im Bereich des rechten oder linken
Oberarms lediglich eine umschriebene Hautreaktion, die mit einer
Narbe abheilt. Sie ist gleichzeitig Hinweis auf eine erfolgreiche
Impfung.
Impfrisiko
Die
Gefahr eines tödlichen Impfzwischenfalls wird bei den aktuell
verfügbaren Impfstoffen mit etwa 1: 800.000 angegeben. Umgerechnet
auf die Deutsche Bevölkerung hieße dies, dass bei einer Impfung
aller Bundesbürger (ca. 80 Millionen Menschen) mit ca. 100 tödlichen
Zwischenfällen zu rechen wäre. Tiefergreifende Impf-Nebenwirkungen
- z.B. Hirnhautentzündungen - sind etwas häufiger. Beim gleichen
Hochrechnungsmodell wäre mit mehreren Hundert schweren Impfschäden
zu rechnen.
Impfschutz
In
Deutschland wurde bis 1975 eine Pockenschutzimpfung durchgeführt.
Geimpft wurde jeweils vor Vollendung des 2. Lebensjahr und im
12. Lebensjahr. Eine in Folge der Pockenschutzimpfung im Bereich
des rechten oder linken Oberarms ausgebildete Narbe ist Hinweis
auf eine erfolgreiche Pockenschutzimpfung.
Zur
Ausprägung des Impfschutzes gibt es kontroverse Aussagen. Nach
Aussage von Experten des Robert-Koch-Institutes, ist davon auszugehen,
dass die meisten Menschen, die gegen Pocken geimpft wurden, "auch
Jahre später wahrscheinlich noch einen gewissen Impfschutz" aufweisen.
Ob dieser Restschutz ausreicht eine Pockeninfektion zu verhindern
ist nicht geklärt. Zumindest aber könnte er einen eventuellen
Krankheitsverlauf abschwächen.
Da
nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle ehemals geimpften
Menschen, zuverlässig vor einer Pockeninfektion geschützt sind,
würden sie im akuten Gefährdungsfall erneut geimpft werden.
Auch
bis ca. vier Tage nach Kontakt mit Pockenviren kann eine Impfung
Schutz vor einer Erkrankung bzw. einem schweren Krankheitsverlauf
bieten.
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© cyberdoktor.de/01.2003
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