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Lipobay - ein Skandal?

Am 8. August des Jahres hat die Firma Bayer den Fettsenker Lipobay vom Markt genommen, weil weltweit 52 Todesfälle mit der Einnahme des Medikaments in Verbindung gebracht wurden. Allein in Deutschland nahmen zu diesem Zeitpunkt eine halbe Million Menschen das Medikament der Firma Bayer ein. Sinn der Einnahme ist es den Blutfettgehalt und damit das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen zu senken.

Wo liegt nun der Skandal? Tödliche Nebenwirkungen sind vor allem in den USA aufgetreten: Dies einerseits durch die kontraindizierte gleichzeitige Einnahme des ebenfalls fettsenkenden Wirkstoffes Gemfibrozil, andererseits durch von amerikanischen Ärzten über die Maximalempfehlung hinaus verordnete Medikamentendosen. Nach der Einführung von Lipobay im Jahre 1997, wurde im vergangenem Jahr ein schleichende Zunahme von möglicherweise mit dem Medikament ausgelösten Todesfällen registriert - der Bayer-Konzern warnte und zog das Medikament schließlich freiwillig zurück. Dies sicherlich nicht wegen der Zahl der Toten, denn 52 Opfer angesichts von sechs Millionen Lipobay-Patienten weltweit - so bitter es auch klingt - das geht in den Statistiken nahezu unter. Der therapeutische Nutzen der Lipobay-Einnahme ist im Hinblick auf die Risiken durch erhöhte Fettspiegel höher anzusetzen - allerdings könnte eine Einnahme von fettsenkenden Medikamenten in der überwiegenden Zahl der Fälle durch eine fettreduzierte Ernährung vermieden werden.

Im Vergleich zur Lipobaydiskussion versterben in Deutschland jedes Jahr schätzungsweise 1500 Menschen an den Nebenwirkungen von sog. Rheumamedikamenten (z.B. Diclofenac, Ibuprofen). Durch Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin) sterben jährlich Hunderte von Menschen an inneren Blutungen. Zu Viagra: Schon ein Jahr nach Einführung des revolutionären Medikamentes werden 522 tödliche Nebenwirkungen in Verbindung mit einer Viagra-Einnahme gesehen. Zuletzt hatten CSU-Politiker das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert, das potenzsteigernde Medikament vom Markt zu nehmen. Zum Anlass genommen wurde von den Politikern die Information des Ministeriums, wonach in 30 Fällen einer Viagra-Einnahme der Verdacht bestehe, dass der Patient zu "irgendeinem Zeitpunkt nach der Einnahme von Viagra häufig als Folge einer Herz-Kreislauf-Komplikation" verstorben sei. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erklärte hingegen, es gebe keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Viagra-Einnahme und den Todesfällen.

Ob ASS, Diclofenac, Ibuprofen oder Viagra - alle Substanzen sind weiterhin am Markt erhältlich. Entscheidend ist die Frage, ob ein Medikament gefährlicher ist als andere - und ob milliardenschwere Schadenersatzklagen drohen. Vieles spricht dafür, dass Lipobay mehr unerwünschte Nebenwirkungen auslöst als andere Fettsenker - Viagra ist dagegen konkurrenzlos und damit unvergleichbar - noch: Denn ausgerechnet die Firma Bayer möchte in absehbarer Zeit ein ähnlich wirksames (nebenwirkungsärmeres) Präparat (Vardenafil) auf den Markt bringen. Da mag den Konkurrenten, allen voran der Firma Pfizer (Viagraproduzent und Marktführer bei Cholesterinsenkern) der vermeintliche Lipobay-Skandal gerade recht sein. Manche Stimmen behaupten Bayer sei bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA "angeschwärzt" worden. Wie auch immer - der Kölner Pharmakologe Professor Uwe Fuhr berichtet von seit Jahren in der Wirkgruppe der Statine (Cholesterinsenker - u.a. Lipobay) bekannten Nebenwirkungen, wie z.B. Muskelbeschwerden: "Alle Statine machen qualitativ diese Muskelbeschwerden, da kann man schon Spekulationen anstellen, ob ein europäischer Anbieter besonders kritisch betrachtet wird".

Spricht der amerikanische Anwalt Fagan, unterstützt durch den deutschen Juristen Witti, vollmundig von einem "Killermedikament", hat das Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) seine Vorwürfe gegen Bayer überraschend zurückgezogen. Bayer habe im Fall des Cholesterinsenkers Lipobay keine sicherheitsrelevanten Informationen zurückgehalten. Die wichtigsten Informationen seien im europäischen Verfahren den zuständigen Behörden in Großbritannien mitgeteilt worden. Von dort sei die Nachricht an die Aufsichtsbehörden der anderen Mitgliedstaaten einschließlich des Bonner Bundesinstituts gelangt.

Trotzdem wirft der Fall Lipobay Fragen nach der Funktionsfähigkeit der Arzneimittelüberwachung auf. In einer Stellungnahme des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) teilte deren Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer mit, dass es "den hohen Nutzen des Arzneimittels nicht ohne Risiko geben kann" - ein Risiko, das sich oft erst nach der Medikamentenzulassung im Rahmen einer breiten Anwendung eines Präparates erweist. Hier ist die Frage nach einem effizienten Arzneimittel-Sicherheitssystem zu stellen. Denn Pharmakonzerne verdienen ihr Geld insbesondere mit patentgeschützten Medikamenten, wie z.B. Lipobay, nicht jedoch mit patentfreien Substanzen. In der Konsequenz wird von der Pharmaindustrie intensiv nach gewinnträchtigen Innovationen geforscht. Patienten mit seltenen Erkrankungen fallen durch das Rost, denn ihre Zielgruppe ist nicht marktrelevant. Die mit öffentlichen Mitteln unzureichend ausgestatteten deutschen medizinischen Universitätseinrichtungen finanzieren einen erheblichen Teil ihrer Arzneimittelforschung durch sog. Drittmittel, eingebracht durch die Pharmaindustrie. In den USA hat der Pharmariese Novartis gleich mehrere Universitäten, samt den Rechten an den dortigen Forschungsarbeiten, gekauft. Es gilt die Devise "wer zahlt, regiert". Die Besetzung von Professorenstellen an den Universitäten erfolgt oft im Hinblick auf die Höhe der mitgebrachten Drittmittel. Forschungsziele werden durch die Pharmaindustrie bestimmt, die Veröffentlichung negativer Ergebnisse wird zensiert.

Zu fordern ist, dass eine Veröffentlichung von Forschungsergebnissen nur erfolgen kann, wenn Drittmittelgeber genannt, die Verträge offen gelegt werden und eine Zensur negativer Studienergebnisse nicht erfolgt. In der ärztlichen Ausbildung muss die Arzneimittellehre gefördert werden. Die Nebenwirkungsbeobachtung und insbesondere deren Dokumentation ist ein Stiefkind der ärztlichen Tätigkeit. Aktuell stammt der überwiegende Anteil der Nebenwirkungsmeldungen aus der Pharmaindustrie. Die Nebenwirkungsbeobachtung, -dokumentaion und -meldung ist als unerlässlicher Bestandteil der ärztlichen Berufsausübung zu definieren. Ausgetauscht werden muss das System einer überwiegend industrieabhängige Ärztefortbildung gegen ein neutrales Angebot. Abhängigkeiten materieller Art - Pharmahersteller gewähren Klinikapotheken für ihre Produkte hohe Preisnachlässe oder überlassen diese kostenlos, damit die teuren Marken-Medikamente im Arztbrief empfohlen werden - sind zu verhindern. Eine Einflussnahme der Klinikärzte durch verdeckte Prämienzahlungen, bzw. Zuwendungen (Bezahlung sog. "Anwendungsstudien", Buchspenden, bis hin zur Scheckübergabe) ist ebenso zu verbieten und auch zu bestrafen. Allerdings bedarf ein Schutz vor korrupten Machenschaften auch adäquate ärztliche Arbeits- und Entgeltbedingungen (s.a. Wenn der Patient zum Feind wird)

Medikamentenzulassungsverfahren müssen verschärft, Langzeitstudien zwingend vorgeschrieben werden. Darüberhinaus sollten Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen die Möglichkeit haben, das Verordnungsverhalten der Ärzte durch unabhängige Informationen zu beeinflussen - diesbezüglich ist die Planung der Bundesgesundheitsministerin einer ärztlichen Verordnung ausschließlich von Medikamentengrundsubstanzen zu unterstützen.

Der Skandal liegt im System - nicht an Lipobay.

 


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