GRUNDGESETZ
(GG)
für die Bundesrepublik Deutschland
Der
Parlamentarische Rat hat am 23. Mai 1949 in Bonn am Rhein in öffentlicher
Sitzung festgestellt, daß das am 8. Mai des Jahres 1949 vom Parlamentarischen
Rat beschlossene Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
in der Woche vom 16. bis 22. Mai 1949 durch die Volksvertretungen
von mehr als zwei Dritteln der beteiligten deutschen Länder angenommen
worden ist. Auf Grund dieser Feststellung hat der Parlamentarische
Rat, vertreten durch seine Präsidenten, das Grundgesetz ausgefertigt
und verkündet. Das Grundgesetz wird hiermit gemäß Artikel 145
Absatz 3 im Bundesgesetzblatt (BGBl.) veröffentlicht.
Präambel
Im
Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von
dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten
Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk
kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin,
Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland,
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben
in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands
vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche
Volk.
I. Die Grundrechte
Artikel
1
(1)
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen
ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2)
Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft,
des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3)
Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende
Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Artikel 2
(1)
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,
soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die
verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2)
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf
nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Artikel 3
(1)
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2)
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die
tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und
Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3)
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner
Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens,
seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt
oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt
werden.
Artikel 4
(1)
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des
religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2)
Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3)
Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe
gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 5
(1)
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei
zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen
Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die
Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden
gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2)
Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen
Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend
und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3)
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit
der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Artikel 6
(1)
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen
Ordnung.
(2)
Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der
Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre
Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3)
Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur
auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn
die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen
Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4)
Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5)
Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen
Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre
Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Artikel 7
(1)
Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.
(2)
Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme
des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.
(3)
Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme
der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet
des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht
in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften
erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden,
Religionsunterricht zu erteilen.
(4)
Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet.
Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der
Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die
Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren
Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung
ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen
und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der
Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen,
wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte
nicht genügend gesichert ist.
(5)
Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung
ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag
von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule,
als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll
und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht
besteht.
(6)
Vorschulen bleiben aufgehoben.
Artikel 8
(1)
Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis
friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
(2)
Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch
Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.
Artikel 9
(1)
Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu
bilden.
(2)
Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen
zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung
oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind
verboten.
(3)
Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe
gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu
behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind
rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs.2 und 3,
Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe
richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Artikel 10
(1)
Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind
unverletzlich.
(2)
Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet
werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung
des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß
sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle
des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung
bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Artikel 11
(1)
Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.
(2)
Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes
und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende
Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus
besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr
einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche
demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung
von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen,
zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen
vorzubeugen, erforderlich ist.
Artikel 12
(1)
Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte
frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf
Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2)
Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer
im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen
Dienstleistungspflicht.
(3)
Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung
zulässig.
Artikel 12a
(1)
Männerkönnen
vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften,
im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet
werden.
(2)
Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert,
kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des
Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen.
Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung
nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes
vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der
Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.
(3)
Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder 2
herangezogen sind, können im Verteidigungsfalle durch Gesetz oder
auf Grund eines Gesetzes zu zivilen Dienstleistungen für Zwecke
der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung
in Arbeitsverhältnisse verpflichtet werden; Verpflichtungen in
öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind nur zur Wahrnehmung
polizeilicher Aufgaben oder solcher hoheitlichen Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung, die nur in einem öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnis erfüllt werden können, zulässig. Arbeitsverhältnisse
nach Satz 1 können bei den Streitkräften, im Bereich ihrer Versorgung
sowie bei der öffentlichen Verwaltung begründet werden; Verpflichtungen
in Arbeitsverhältnisse im Bereiche der Versorgung der Zivilbevölkerung
sind nur zulässig, um ihren lebensnotwendigen Bedarf zu decken
oder ihren Schutz sicherzustellen.
(4)
Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen
im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen
Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt
werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten
fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines
Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. Sie
dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten.
(5)
Für die Zeit vor dem Verteidigungsfalle können Verpflichtungen
nach Absatz 3 nur nach Maßgabe des Artikels 80a Abs. 1 begründet
werden. Zur Vorbereitung auf Dienstleistungen nach Absatz 3, für
die besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten erforderlich sind,
kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes die Teilnahme
an Ausbildungsveranstaltungen zur Pflicht gemacht werden. Satz
1 findet insoweit keine Anwendung.
(6)
Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an Arbeitskräften für die
in Absatz 3 Satz 2 genannten Bereiche auf freiwilliger Grundlage
nicht gedeckt werden, so kann zur Sicherung dieses Bedarfs die
Freiheit der Deutschen, die Ausübung eines Berufs oder den Arbeitsplatz
aufzugeben, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt
werden. Vor Eintritt des Verteidigungsfalles gilt Absatz 5 Satz
1 entsprechend.
Artikel 13
(1)
Die Wohnung ist unverletzlich.
(2)
Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge
auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet
und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3)
Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch
Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat,
so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung
technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in
denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden,
wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig
erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen.
Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten
Spruchkörper. Bei Gefahr in Verzuge kann sie auch durch einen
einzelnen Richter getroffen werden.
(4)
Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit,
insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen
technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund
richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge
kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte
Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich
nachzuholen.
(5)
Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem
Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme
durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine
anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist
nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und
nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich
festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung
unverzüglich nachzuholen.
(6)
Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den
nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes
nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach
Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag
gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische
Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische
Kontrolle.
(7)
Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr
einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen,
auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren
für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung
der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze
gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
Artikel 14
(1)
Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und
Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet.
Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.
Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen,
das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung
ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit
und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung
steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten
offen.
Artikel 15
Grund
und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke
der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der
Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen
der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt
Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
Artikel 16
(1)
Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der
Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes
und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn
der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. (2) Kein Deutscher
darf an das Ausland ausgeliefert werden.
Artikel 16a
(1)
Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2)
Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat
der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat
einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung
der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb
der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des
Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des
Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können
aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen
eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3)
Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können
Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der
Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet
erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche
oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es
wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht
verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme
begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt
wird.
(4)
Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen
des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet
sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht
nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden
und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere
ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5)
Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten
der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten
Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen
aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß,
Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich
der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Artikel 17
Jedermann
hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich
mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an
die Volksvertretung zu wenden.
Artikel 17a
(1)
Gesetze über Wehrdienst und Ersatzdienst können bestimmen, daß
für die Angehörigen der Streitkräfte und des Ersatzdienstes während
der Zeit des Wehr- oder Ersatzdienstes das Grundrecht, seine Meinung
in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (Artikel
5 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz), das Grundrecht der Versammlungsfreiheit
(Artikel 8) und das Petitionsrecht (Artikel 17), soweit es das
Recht gewährt, Bitten oder Beschwerden in Gemeinschaft mit anderen
vorzubringen, eingeschränkt werden.
(2)
Gesetze, die der Verteidigung einschließlich des Schutzes der
Zivilbevölkerung dienen, können bestimmen, daß die Grundrechte
der Freizügigkeit (Artikel 11) und der Unverletzlichkeit der Wohnung
(Artikel 13) eingeschränkt werden.
Artikel 18
Wer
die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit
(Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit
(Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-,
Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel
14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte.
Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht
ausgesprochen.
Artikel 19
(1)
Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder
auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz
allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß
das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2)
In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet
werden.
(3)
Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen,
soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4)
Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt,
so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit
nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel
10 Abs.2 Satz 2 bleibt unberührt.
II. Der Bund und die Länder
Artikel 20
(1)
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer
Bundesstaat.
(2)
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen
und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung,
der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3)
Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende
Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4)
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben
alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht
möglich ist.
Artikel 20a
Der
Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen
die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen
Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und
Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
Artikel 21
(1)
Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes
mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen
Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung
ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
(2)
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer
Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung
zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik
Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage
der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(3)
Das Nähere regeln Bundesgesetze.
Artikel 22
Die
Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.
Artikel 23
(1)
Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik
Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die
demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen
und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen
diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz
gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung
des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der
Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen
und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem
Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen
oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs.2 und
3.
(2)
In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag
und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat
den Bundestag und den Bundesrat umfassend zum frühestmöglichen
Zeitpunkt zu unterrichten.
(3)
Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme
vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union.
Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages
bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz.
(4)
Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen,
soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken
hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären.
(5)
Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes
Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der
Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung
die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse
der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren
betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit
die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen;
dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren.
In Angelegenheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen
für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung
erforderlich.
(6)
Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der
Länder betroffen sind, soll die Wahrnehmung der Rechte, die der
Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen
Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter
der Länder übertragen werden. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt
unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei
ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren.
(7)
Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der
Zustimmung des Bundesrates bedarf.
Artikel 24
(1)
Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche
Einrichtungen übertragen.
(1a)
Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse
und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig sind, können
sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche
Einrichtungen übertragen.
(2)
Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger
kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen
seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte
Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen
und sichern.
(3)
Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund
Vereinbarungen über eine allgemeine, umfassende, obligatorische,
internationale Schiedsgerichtsbarkeit beitreten.
Artikel 25
Die
allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes.
Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar
für die Bewohner des Bundesgebietes.
Artikel 26
(1)
Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden,
das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere
die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig.
Sie sind unter Strafe zu stellen.
(2)
Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung
der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht
werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 27
Alle
deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte.
Artikel 28
(1)
Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen
des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates
im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen
und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen,
unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen
ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die
die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen
Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen
Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an
die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung
treten.
(2)
Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten
der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung
zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen
Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung.
Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen
der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört
eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene
Steuerquelle.
(3)
Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der
Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und
2 entspricht.
Artikel 29
(1)
Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten,
daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden
Aufgaben wirksam erfüllen können. Dabei sind die landsmannschaftliche
Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge,
die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit sowie die Erfordernisse der
Raumordnung und der Landesplanung zu berücksichtigen.
(2)
Maßnahmen zur Neugliederung des Bundesgebietes ergehen durch Bundesgesetz,
das der Bestätigung durch Volksentscheid bedarf. Die betroffenen
Länder sind zu hören.
(3)
Der Volksentscheid findet in den Ländern statt, aus deren Gebieten
oder Gebietsteilen ein neues oder neu umgrenztes Land gebildet
werden soll (betroffene Länder). Abzustimmen ist über die Frage,
ob die betroffenen Länder wie bisher bestehenbleiben sollen oder
ob das neue oder neu umgrenzte Land gebildet werden soll. Der
Volksentscheid für die Bildung eines neuen oder neu umgrenzten
Landes kommt zustande, wenn in dessen künftigem Gebiet und insgesamt
in den Gebieten oder Gebietsteilen eines betroffenen Landes, deren
Landeszugehörigkeit im gleichen Sinne geändert werden soll, jeweils
eine Mehrheit der Änderung zustimmt. Er kommt nicht zustande,
wenn im Gebiet eines der betroffenen Länder eine Mehrheit die
Änderung ablehnt; die Ablehnung ist jedoch unbeachtlich, wenn
in einem Gebietsteil, dessen Zugehörigkeit zu dem betroffenen
Land geändert werden soll, eine Mehrheit von zwei Dritteln der
Änderung zustimmt, es sei denn, daß im Gesamtgebiet des betroffenen
Landes eine Mehrheit von zwei Dritteln die Änderung ablehnt.
(4)
Wird in einem zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum,
dessen Teile in mehreren Ländern liegen und der mindestens eine
Million Einwohner hat, von einem Zehntel der in ihm zum Bundestag
Wahlberechtigten durch Volksbegehren gefordert, daß für diesen
Raum eine einheitliche Landeszugehörigkeit herbeigeführt werde,
so ist durch Bundesgesetz innerhalb von zwei Jahren entweder zu
bestimmen, ob die Landeszugehörigkeit gemäß Absatz 2 geändert
wird, oder daß in den betroffenen Ländern eine Volksbefragung
stattfindet.
(5)
Die Volksbefragung ist darauf gerichtet festzustellen, ob eine
in dem Gesetz vorzuschlagende Änderung der Landeszugehörigkeit
Zustimmung findet. Das Gesetz kann verschiedene, jedoch nicht
mehr als zwei Vorschläge der Volksbefragung vorlegen. Stimmt eine
Mehrheit einer vorgeschlagenen Änderung der Landeszugehörigkeit
zu, so ist durch Bundesgesetz innerhalb von zwei Jahren zu bestimmen,
ob die Landeszugehörigkeit gemäß Absatz 2 geändert wird. Findet
ein der Volksbefragung vorgelegter Vorschlag eine den Maßgaben
des Absatzes 3 Satz 3 und 4 entsprechende Zustimmung, so ist innerhalb
von zwei Jahren nach der Durchführung der Volksbefragung ein Bundesgesetz
zur Bildung des vorgeschlagenen Landes zu erlassen, das der Bestätigung
durch Volksentscheid nicht mehr bedarf.
(6)
Mehrheit im Volksentscheid und in der Volksbefragung ist die Mehrheit
der abgegebenen Stimmen, wenn sie mindestens ein Viertel der zum
Bundestag Wahlberechtigten umfaßt. Im übrigen wird das Nähere
über Volksentscheid, Volksbegehren und Volksbefragung durch ein
Bundesgesetz geregelt; dieses kann auch vorsehen, daß Volksbegehren
innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren nicht wiederholt werden
können.
(7)
Sonstige Änderungen des Gebietsbestandes der Länder können durch
Staatsverträge der beteiligten Länder oder durch Bundesgesetz
mit Zustimmung des Bundesrates erfolgen, wenn das Gebiet, dessen
Landeszugehörigkeit geändert werden soll, nicht mehr als 50.000
Einwohner hat. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung
des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages
bedarf. Es muß die Anhörung der betroffenen Gemeinden und Kreise
vorsehen.
(8)
Die Länder können eine Neugliederung für das jeweils von ihnen
umfaßte Gebiet oder für Teilgebiete abweichend von den Vorschriften
der Absätze 2 bis 7 durch Staatsvertrag regeln. Die betroffenen
Gemeinden und Kreise sind zu hören. Der Staatsvertrag bedarf der
Bestätigung durch Volksentscheid in jedem beteiligten Land. Betrifft
der Staatsvertrag Teilgebiete der Länder, kann die Bestätigung
auf Volksentscheide in diesen Teilgebieten beschränkt werden;
Satz 5 zweiter Halbsatz findet keine Anwendung. Bei einem Volksentscheid
entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn sie mindestens
ein Viertel der zum Bundestag Wahlberechtigten umfaßt; das Nähere
regelt ein Bundesgesetz. Der Staatsvertrag bedarf der Zustimmung
des Bundestages.
Artikel 30
Die
Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen
Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine
andere Regelung trifft oder zuläßt.
Artikel 31
Bundesrecht
bricht Landesrecht.
Artikel 32
(1)
Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des
Bundes.
(2)
Vor dem Abschlusse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse
eines Landes berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören.
(3)
Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können
sie mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten
Verträge abschließen.
Artikel 33
(1)
Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen
Rechte und Pflichten.
(2)
Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen
Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3)
Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung
zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen
Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem
darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem
Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4)
Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe
in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen,
die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis
stehen.
(5)
Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung
der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.
Artikel 34
Verletzt
jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die
ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft
die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft,
in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit
bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz
und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen
werden.
Artikel 35
(1)
Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig
Rechts- und Amtshilfe.
(2)
Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen
Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer
Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur
Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne
diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen
Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe
oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte
anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen
sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.
(3)
Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet
mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es
zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen
die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung
zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte
zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Maßnahmen der Bundesregierung
nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen
unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben.
Artikel
36
(1)
Bei den obersten Bundesbehörden sind Beamte aus allen Ländern
in angemessenem Verhältnis zu verwenden. Die bei den übrigen Bundesbehörden
beschäftigten Personen sollen in der Regel aus dem Lande genommen
werden, in dem sie tätig sind.
(2)
Die Wehrgesetze haben auch die Gliederung des Bundes in Länder
und ihre besonderen landsmannschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.
Artikel
37
(1)
Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einem anderen
Bundesgesetze obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann
die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen
Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung
seiner Pflichten anzuhalten.
(2)
Zur Durchführung des Bundeszwanges hat die Bundesregierung oder
ihr Beauftragter das Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und
ihren Behörden.
III. Der Bundestag
Artikel 38
(1)
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner,
unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie
sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht
gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2)
Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat;
wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit
eintritt.
(3)
Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.
Artikel 39
(1)
Der Bundestag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen
auf vier Jahre gewählt. Seine Wahlperiode endet mit dem Zusammentritt
eines neuen Bundestages. Die Neuwahl findet frühestens sechsundvierzig,
spätestens achtundvierzig Monate nach Beginn der Wahlperiode statt.
Im Falle einer Auflösung des Bundestages findet die Neuwahl innerhalb
von sechzig Tagen statt.
(2)
Der Bundestag tritt spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl
zusammen.
(3)
Der Bundestag bestimmt den Schluß und den Wiederbeginn seiner
Sitzungen. Der Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen.
Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Drittel der Mitglieder, der
Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.
Artikel 40
(1)
Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter
und die Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.
(2)
Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude
des Bundestages aus. Ohne seine Genehmigung darf in den Räumen
des Bundestages keine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden.
Artikel 41
(1)
Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages. Er entscheidet auch,
ob ein Abgeordneter des Bundestages die Mitgliedschaft verloren
hat.
(2)
Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das
Bundesverfassungsgericht zulässig.
(3)
Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 42
(1)
Der Bundestag verhandelt öffentlich. Auf Antrag eines Zehntels
seiner Mitglieder oder auf Antrag der Bundesregierung kann mit
Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.
Über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung entschieden.
(2)
Zu einem Beschlusse des Bundestages ist die Mehrheit der abgegebenen
Stimmen erforderlich, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes
bestimmt. Für die vom Bundestage vorzunehmenden Wahlen kann die
Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen.
(3)
Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des
Bundestages und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit
frei.
Artikel 43
(1)
Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes
Mitgliedes der Bundesregierung verlangen.
(2)
Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre
Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner
Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden.
Artikel 44
(1)
Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner
Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen,
der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt.
Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.
(2)
Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß
sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
bleibt unberührt.
(3)
Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe
verpflichtet.
(4)
Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen
Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der
Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte
frei.
Artikel 45
Der
Bundestag bestellt einen Ausschuß für die Angelegenheiten der
Europäischen Union. Er kann ihn ermächtigen, die Rechte des Bundestages
gemäß Artikel 23 gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen.
Artikel 45a
(1)
Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten
und einen Ausschuß für Verteidigung.
(2)
Der Ausschuß für Verteidigung hat auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses.
Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder hat er die Pflicht,
eine Angelegenheit zum Gegenstand seiner Untersuchung zu machen.
(3)
Artikel 44 Abs. 1 findet auf dem Gebiet der Verteidigung keine
Anwendung.
Artikel 45b
Zum
Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei
der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter
des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 45c
(1)
Der Bundestag bestellt einen Petitionsausschuß, dem die Behandlung
der nach Artikel 17 an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden
obliegt.
(2)
Die Befugnisse des Ausschusses zur Überprüfung von Beschwerden
regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 46
(1)
Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder
wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner
Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder
sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden.
Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.
(2)
Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter
nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen
oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Begehung der Tat
oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.
(3)
Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkung
der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung
eines Verfahrens gegen einen Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.
(4)
Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Artikel 18 gegen
einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner
persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Bundestages auszusetzen.
Artikel
47
Die
Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer
Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft
Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst
das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrecht
reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.
Artikel 48
(1)
Wer sich um einen Sitz im Bundestage bewirbt, hat Anspruch auf
den zur Vorbereitung seiner Wahl erforderlichen Urlaub.
(2)
Niemand darf gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen
und auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde
ist unzulässig.
(3)
Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit
sichernde Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung
aller staatlichen Verkehrsmittel. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 49 [aufgehoben]
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