Wissenschaft zwischen Frankensteins Keller und Elfenbeinturm
Menschenrecht auf den eigenen Klon?
cyberdoktor.de
hatte gerade über die Einführung des therapeutischen Klonens durch
die Hintertür -ein rechtsverbindliches "Versehen" des europäischen
Patentamtes in München- berichtet [Widerstand
gegen EU-Gen-Richtlinie ], schon kam die Kunde aus Großbritannien
die Klonierung
von Embryos zu therapeutischen Zwecken als weltweit erstes
Land genehmigen zu wollen, gefolgt von der Mitteilung -auf dem
Trittbett des boomenden Gentechnikmarktes- den britischen Krankenversicheren
die Erlaubnis zur gentechnischen Selektion ihrer Antragsteller
zu erteilen [Auf
dem Weg zum großen Bruder? ]. Logische Konsequenz - trotz
mahnender Stimmen- mehren sich weltweit die Ankündigungen von
Wissenschaftlern das technisch Machbare über die letzten Tabus
hinaus und ohne therapeutisches Ansinnen zu verwirklichen: die
Klonierung des Menschen.
Da
gibt es die - durchaus realistischen - Bemühungen einer dubiosen
Religeonsgemeinschaft (Raelianer-Sekte), bei denen ein, nach einer
im vergangenen Jahr im Anschluss an eine erfolglose Operation
verstorbener zehn Monate alter Junge, aus vor seinem Tod eingefrorenen
Zellen als Klon wieder auferstehen soll. Für 200000 Dollar,
so wenden sich die Raelianer an "wohlhabende Eltern aus aller
Welt", würden Ihre Klone geschaffen. Kaum hatte der amerikanische
Physiker Richard Seed seine Absicht erläutert einen komerziell
orientierten Menschklonierungsservice gründen zu wollen,
kündigten unlängst der italienische Fortpflanzungsmediziner Severino
Antinori - er hatte schon erfolgreich eine 62-jährige Frau, auf
künstlichem Wege versteht sich, zur Mutter gemacht- und der
amerikanische Fortpflanzungsforscher Panos Zavos ihre Pläne an,
mit Hilfe eines aus europäischen, japanischen und amerikanischen
Wissenschaftlern bestehenden Teams noch in diesem Jahr damit zu
beginnen, "einen Menschen zu klonen."
Postuliert
wird in diesem Zusammenhang von Antinori "ein absolutes Menschenrecht,
Nachkommen zu haben." Die Paare wurden schon ausgewählt:
"Wir
werden zum Beispiel nur verhältnismäßig junge Menschen klonen.
Sie sollten höchstens 30 Jahre alt sein." Geklont werden ausschließlich
männliche Zellen, ein Klon aus weibliche Zellen würde nach Antinoris
Überzeugung von den Männern nicht akzeptiert. Die Klonierung
einer lesbischen Frau kommt für ihn nicht in Frage, hier setzt
er auf konservative Werte: "Für die Entwicklung des Kindes ist
es absolut notwendig, dass Vater und Mutter das Kind aufziehen.
Ein vaterloses Kind würde ich nicht produzieren. Niemals."
Ethische
Bedenken scheinen Antinori nicht umzutreiben. Den Einwand des
New Yorker Biologen Eric Schon, er hätte Skrupel, ein Baby zu
klonen, weil man zuvor 25 tote Missgeburten in den Mülleimer werfen
müsse, bezeichnet Antonori als lächerlich. Auf die im Rahmen eines
Spiegel-Interviews gestellte Frage wie er reagiere, wenn er nach
drei, vier Monaten feststelle, dass aus dem Klon eine Missgeburt
werden würde, reagiert Antonori gelassen: "...dann treiben wir
ab. Das macht man auch bei anderen Embryonen". Fein diversifiziert
wird von ihm die Art der Abtreibung. Angesprochen auf seine, in
der Rolle als Katholik früher vorgebrachte Gleichsetzung von Abtreibungen
mit einem Genozid, zieht Antonori nun eine feine Trennlinie, es
handle sich schließlich um eine therapeutische Abtreibung.
Andere
Wissenschaftler warnen vor den bisher nicht kalkulierbaren Folgen
des Klonens. Vor der Verabschiedung einer EU-Gen-Richtlinie zur
therapeutischen Klonierung
von Embryos warnten Wissenschaftler einer Enquete-Kommission
des Bundestages: "Die Herstellung und Vernutzung menschlicher
Embryonen als Rohstoff überschreitet eine ethische Grenze", die
erweckten Hoffnungen seien mit großer Wahrscheinlichkeit nicht
einzuhalten. Der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Alexander S. Kekulé,
beklagt in seiner Internetkolumne,
dass kritische Forscher von den Philosophen mit ihren moralischen
Bedenken allein gelassen würden. Zu den Ausnahmen gehört Peter
Sloterdijk, dieser beurteilt die Ängste mancher Gen-Technik-Kritiker
als "hysterische Illusion", es geschähe "den Menschen nichts Fremdes,
wenn sie sich weiterer Hervorbringung und Manipulation aussetzen."
Angeführt
werden von Kekulé aber auch nüchtern-wissenschaftliche Argumente
gegen das reproduktive Klonen. So die Gefahr des Auftretens gehäufter
Missbildungen (diverse Organmissbildungen im Tierversuch), des
vorzeitigen Alterns der geklonten Wesen und Auswirkungen auf deren
Immunsystem, abgesehen von nicht absehbaren Folgen für die Nachfolgegenerationen.
Ergänzend genannt werden müssen die zu erwartende Anzahl an Klonierungsfehlversuchen
und eine damit verbundene Fehlgeburtenrate, denn meist sterben
die in die Gebärmutter implantierten Zellen ab -Antinori hält
die von ihm erzielte Einnistungsquote von 7:100 für einen Erfolg.
Ebenso unbekannt ist die Entwicklung der Klonzellen, manche altern
schneller, einige verzögert, es besteht ein höheres Risiko für
die Entwicklung von Krebserkrankungen.
Wilfried
Feichtinger, seines Zeichens Vorsitzender einer Vereinigung privater
Reproduktionsmediziner, gibt sich, in der unbestechlichen Logik
eines Steuerhinterziehers, überzeugt: "Wenn's der Antinori jetzt
nicht macht, dann macht's ein Amerikaner oder ein Chinese, und
wir werden in ein paar Jahren dumm dastehen." Der Wiener Professor
sieht sich dabei in der Tradition der Liberalität: "Wir sind gegen
jegliche Restriktion in der Freiheit der Forschung, sei es durch
voreilige Verbote oder nicht fachgerechte Kritik." Aber nicht
alle Verbandsmitglieder teilen die Meinung Feichtingers. Auch
Oliver Brüstle, Neuropathologe an der Universität Bonn, mahnt:
"Wir haben noch überhaupt nicht verstanden, was beim Klonen mit
dem Erbgut genau passiert".
Quellen:
www.spiegel.de
www.berlinonline.de
www.cyberdoktor.de
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07.2001© cyberdoktor.de
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